Pfarrpersonen fehlen überall. Die römisch-katholische Kirche behilft sich darum auch mit Priestern aus dem Ausland. Die evangelisch-reformierte Kirche hat Quereinsteigendenprogramme ins Leben gerufen.
Doch es wird schwieriger, die Lücken zu füllen. Das merkte auch Georgette Domokos. Sie trat kürzlich aus der Kirche aus. Nach ihrem letzten Besuch in der römisch-katholischen Kirche in Uster sagt sie: «Ich gehe da nie wieder hin!» Der autoritäre Auftritt des Pfarrers aus Osteuropa brachte bei ihr das Fass zum Überlaufen. Entweder habe sie Pech – oder die guten Pfarrer seien rar, meint die 70-Jährige.
Mit harschem Ton
An der Erstkommunion ihrer Enkelin habe ihr Mann wohl zu laut geflüstert. «Der Pfarrer hat ihn dermassen ‹runtergeputzt› und gesagt, er als Pfarrer sei die Hauptperson», erzählt Domokos.
In den nächsten zehn Jahren fehlen zwischen 30 und 70 Pfarrpersonen jährlich.
Trotz der vielen Kinder in der Kirche musste es mucksmäuschenstill sein. «So wird die Kirche nicht überleben», sagt Georgette Domokos.
Suche in der Not
Ums Überleben geht es auch in der evangelisch-reformierten Kirche. Zwar hat sie eine andere Ausgangslage als die römisch-katholische Kirche, etwa, was die Strukturen angeht. Doch auch sie hat Mühe, geeignete Pfarrpersonen zu finden.
Die neuste Pfarrstellenstatistik bestätigt Bekanntes: Die Generation Babyboomer wird pensioniert, der Nachwuchs rückt kaum nach. «In den nächsten zehn Jahren fehlen zwischen 30 und 70 Pfarrpersonen jährlich», erklärt Ursula Vock, Beauftragte für die Pfarrausbildung der reformierten Kirche.
Mit Nachwuchsförderung und dem Ausbildungsprogramm für Quereinsteigende will die reformierte Kirche dem Pfarrpersonenmangel Abhilfe schaffen. Das können ehemalige Opernsängerinnen oder Immobilienmakler sein, die sich umorientieren, oder auch konvertierte Katholikinnen und Katholiken.
Zu viele alte Kardinäle sitzen in Rom, die etwa einer Geschlechtergleichstellung im Weg stehen.
Wichtig sei, betont Ursula Vock, dass alle mit der Tradition der reformierten Landeskirchen und ihrer offenen Kultur vertraut gemacht würden. Das gelte auch für Pfarrpersonen aus dem Ausland oder mit freikirchlichem Hintergrund.
Mentorinnen helfen
Eine qualifizierte Pfarrperson garantiert noch keine Harmonie zwischen Kirchenbank und Kanzel. «Es gibt immer wieder Situationen, in denen es nicht passt zwischen Pfarrperson und Gemeinde», so Ursula Vock. Gründe sieht sie sowohl auf der persönlichen wie auf der kulturellen Ebene. Insbesondere Personen aus dem Ausland werden deshalb von einer Mentorin oder einem Mentor begleitet. Auch die römisch-katholische Kirche handhabt das so.
Georgette Domokos macht ihren Kirchenaustritt nicht allein an der Herkunft des Pfarrers, seinem Auftreten und den konservativen Wertvorstellungen fest. Es gebe schliesslich auch progressive Priester. Das Problem sieht sie in den hierarchischen Strukturen der römisch-katholischen Kirche. «Zu viele alte Kardinäle sitzen in Rom, die etwa einer Geschlechtergleichstellung im Weg stehen. Man muss doch mit der Zeit gehen», ist Domokos überzeugt.
Die Lücke als Chance
Das sieht auch Ursula Vock so: «Das Fehlen von Pfarrpersonen bietet auch Chancen für die Kirchgemeinden.» Zum Beispiel, um bestehende Strukturen anzupassen oder gar das Pfarramt neu zu denken.
In Kirchen wird Neues ausprobiert. Das klingt vielversprechend – solange es passt zwischen Pfarrperson und Kirchgemeinde. Sonst werden die Kirchen Mitglieder verlieren, statt neue zu gewinnen.