SRF: Warum verschwand das Thema «Vault 7» nach anfänglicher Entrüstung sofort wieder aus den Medien?
Martin Steiger: Wegen der Funktionsweise der Medien. Für die Journalisten, die sich mit den USA befassen, steht zurzeit Trump im Vordergrund. Ein zweiter Grund ist die Banalität der Massenüberwachung und des Überwachungsstaats. Wir haben uns daran gewöhnt, wir sind hilflos und vereinzelt.
Hat sie überrascht, welche Cyberwar-Möglichkeiten die CIA hat?
Nein. Aber es ist spannend zu sehen, dass der Verdacht, den man hatte, bestätigt wird: dass die CIA dieses Arsenal nutzt. Man kennt es aus der Cyberkriminalität, und jetzt haben wir einmal mehr eine Bestätigung.
Welche Elemente dieser Enthüllung machen Ihnen am meisten Sorgen?
Ein Aspekt ist: Man sieht, dass sich auch die CIA digitalisiert hat. Klassisch denkt man an einen CIA-Agenten, der eine Wohnung verwanzt, heute macht er das digital. Der andere Aspekt ist, dass unsere digitale Infrastruktur für die Überwachung missbraucht wird, bis hin zum Fernseher.
2013 flog die Massenüberwachung durch die NSA auf, jetzt deckt «Vault 7» die elektronischen Werkzeuge der CIA auf. Was ist neu bei dieser Enthüllung?
Die Mittel sind im Wesentlichen nicht neu, aber wir erhalten neue Einblicke in die Arbeitsweise der CIA. Bei der NSA war immer klar: Das sind die Hacker, die Nerds, die für den amerikanischen Staat spionieren. Bei der CIA dachte man eher an James Bond als an Hacker. Das hat sich grundlegend geändert.
Verschlüsselung funktioniert. Auch die CIA konnte «Whatsapp» nicht knacken.
Laut den durch WikiLeaks offengelegten Dokumenten sind die technischen Möglichkeiten der CIA enorm. Die Behörde kann auf Smartphones zugreifen, in die Elektronik von Autos eindringen und das Fahrzeug kontrollieren. Sie sammelt, kauft und produziert Schadsoftware und Trojaner. Sie hortet Sicherheitslücken, ohne sie an die Softwarehersteller zu melden. Wie beurteilen Sie dieses Arsenal?
Immerhin gibt es eine gute Nachricht: Verschlüsselung funktioniert. Wenn man diesen Enthüllungen glauben darf, konnte auch die CIA die Verschlüsselung etwa von «Whatsapp» nicht knacken. Deshalb muss sie andere Methoden einsetzen.
Diese sind sehr vielseitig und auch erschreckend. Sie zeigen eine gewisse Rücksichtslosigkeit. Denn angegriffen wird unsere Infrastruktur, unser alltägliches Leben. Wir können unserer Infrastruktur nicht mehr vertrauen. Wenn der Computer eine Fehlermeldung anzeigt oder langsam läuft, ist es dann ein Virus von Cyberkriminellen? Wird man gerade vom Geheimdienst gehackt? Oder ist es ein ganz banaler Fehler?
Software kann Fehler enthalten und somit gehackt und für die Überwachung verwendet werden.
Sie haben den mit dem Internet verbundenen Fernseher als Horch- und Spähposten erwähnt. Warum machen die Hersteller mit? Oder werden sie von den Geheimdiensten missbraucht?
Das weiss man nicht, es dürfte unterschiedlich sein. Ein smarter Fernseher ist ja zunächst auch nur ein Computer, der am Internet hängt. Und Software kann Fehler enthalten und somit gehackt und für die Überwachung verwendet werden.
Manche Hersteller spielen mit, manche müssen mitspielen. Wenn in Südkorea der Geheimdienst bei Samsung anklopft, ist es vermutlich schwierig, nicht mitzumachen. In anderen Ländern verhält es sich ebenso.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 05.04.2017, 09.00 Uhr