WM-Boykott, war das was? Die meisten Zuschauerinnen und Zuschauer haben trotzdem eingeschaltet. Die FIFA zeigte sich mit den Zuschauerzahlen zufrieden und spricht gar von einem Rekord.
Auffällig dabei: Vor allem in Asien und Afrika sowie den Ländern Lateinamerikas stiegen die Zuschauerzahlen im Vergleich zur letzten WM an. Kritik an der FIFA hört man aus diesen Regionen wesentlich seltener.
Zwischen Kultur und Kommerz
Das liegt daran, dass die dortige Fankultur sich von der europäischen unterscheidet, ist Harald Lange überzeugt. Der Fussballforscher ist Professor für Sportwissenschaften an der Universität Würzburg.
«Die Art, wie sich der Fussball in diesen Regionen etablierte, war eine andere», so Lange. «Im Gegensatz zu Europa gab es nicht von Anfang an eine lokale Vereinstradition.»
In Europa seien die Fussball- aus den Turnvereinen heraus entstanden. Sie seien lokal verwurzelt und dadurch enorm identitätsstiftend, erklärt Lange.
Mein Dorf, mein Verein
«Der örtliche Verein ist etwas, womit man sich identifizieren kann», so der Sportwissenschaftler. «Wenn mein Club gegen den anderen spielt, ist das ein ‹Wir gegen die›. Da fühlt man sich als Fan sofort verbunden.»
Wer sich verbunden fühlt, übt allerdings auch eher Kritik. Etwa dann, wenn gute lokale Spieler von reichen Clubs weggekauft werden. Schon früh habe sich aus der lokalen Vereinskultur heraus eine kritische Fankultur entwickelt, sagt Lange. Diese begleite einzelne Mannschaften ganz nah, mit einem liebenden, aber eben auch mit einem kontrollierenden Auge.
Im deutschsprachigen Raum habe diese Kultur bereits existiert, als der Fussball später – vor allem durchs Fernsehen – kommerzieller wurde und deswegen mehr und mehr in die Kritik geriet.
Fussball als TV-Phänomen
In Lateinamerika und vor allem in Afrika und Asien sei es genau andersherum: «In diesen Regionen ist der Fussball in allererster Linie als Medienthema aufgekommen, seitdem es Fernseher gibt. Dort können die Menschen Heldengeschichten verfolgen.»
Erst im Nachhinein habe sich dann auch in diesen Ländern ein Vereins- und Verbandswesen herausgebildet, allerdings mit einer anderen Stossrichtung und einer anderen Tradition. «Das Kommerzielle wird dort als weniger problematisch empfunden», so Helmut Lange. Deshalb würde die politische Situation an den WM-Austragungsorten in diesen Regionen auch weniger kritisiert.
Verschwindet die Kritik?
Allerdings könne es sein, dass die kritische Fankultur auch in Europa am Auslaufen sei: «Dann nämlich, wenn die nachwachsende Fan-Generation den Fussball vorwiegend als Unterhaltungsprodukt kennengelernt hat und nicht mehr aus dem Vereinsleben in diese Fankultur hineinwächst.». Ob sich diese Prognose bewahrheitet, dürfte die Zukunft zeigen.