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Zehn Jahre Zentrum für Islam Das SZIG untersucht Alltag und Bedürfnisse von Schweizer Muslimen

Über die Musliminnen und Muslime in der Schweiz gibt es viele Vorurteile – und wenig Wissen. Das Schweizerische Zentrum für Islam und Gesellschaft, gegründet vor zehn Jahren, will dies ändern – und Brücken bauen. Ist es gelungen?

Wenn das Schlimmste passiert, das sich Eltern vorstellen können – und ihr Kind tot zur Welt kommt, dann ist Dilek Uçak-Ekinci zur Stelle. Sie ist Seelsorgerin, spezialisiert auf Stillgeburten. Sie hört den Eltern zu, tröstet sie, beantwortet Fragen, wie das Kind beerdigt werden soll oder was mit seiner Seele im Jenseits passiert. Dilek Uçak-Ekinci ist muslimische Seelsorgerin.

Frau mit rosa Kopftuch vor Pflanzen.
Legende: Seelsorgerin Dilek Uçak-Ekinci hat Islamwissenschaft, Soziologie und Turkologie studiert und war langjährig als Referentin, Koordinatorin und Projektleiterin in interreligiösen Bildungsprojekten in der Schweiz tätig. Universität Freiburg

Die Seelsorge ist ein ideales Beispiel, um zu zeigen, wie das Schweizerische Zentrum für Islam und Gesellschaft (SZIG) arbeitet und was die Arbeit bewirkt. Bis vor wenigen Jahren gab es die muslimische Seelsorge nämlich nur inoffiziell. Uçak-Ekinci besuchte die Patientinnen und Angehörigen im Spital als Freiwillige: «Ausser den Familien wusste niemand von meinen Besuchen.»

Doch je öfter sie gerufen wurde, desto mehr merkte sie: Sie braucht fundiertes Wissen über die Seelsorge, über die muslimische Seelsorge.

Zwei Hände halten sich liebevoll.
Legende: Muslimische Seelsorge ist in der Schweiz ein recht neues Angebot, was sich – durch Zutun des SZIG – weiter professionalisiert. Seelsorgerinnen und Seelsorger machen etwa Spitalbesuche. Imago/Rupert Oberhäuser

Forschung über muslimischen Alltag in der Schweiz

«Doch in der Schweiz existierte das nicht», erzählt Uçak-Ekinci. Also entschied sie, die muslimische Seelsorge zu ihrem Forschungsthema zu machen und bewarb sich für eine Promotionsstelle beim SZIG. Die Lebensrealität von Schweizer Musliminnen und Muslimen zu erforschen, praxisnah und islamisch-theologisch, gehört zum Auftrag des SZIG.

Zehn Jahre SZIG – die Geschichte

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  • Das Schweizerische Zentrum für Islam und Gesellschaft (SZIG) der Universität Freiburg ist ein Kompetenzzentrum für aktuelle gesellschaftliche Fragen zum Islam in der Schweiz mit Fokus auf einer islamischen Selbstreflexion.
  • Begonnen hat alles mit einem Vorstoss im Nationalrat vor gut 20 Jahren: Der Bund solle prüfen, ob die Schweiz eine Imam-Ausbildung aufbauen könnte. Doch dafür gab es zu wenig Bedarf.
  • Stattdessen wurde das Forschungszentrum über Islam und Gesellschaft an der Universität Freiburg gegründet.
  • Die SVP Freiburg lancierte eine Volksinitiative, um das Zentrum zu verhindern. Sie wurde jedoch für ungültig erklärt. Am 1.1.2015 begann die Arbeit des SZIG.

Die Seelsorge zu untersuchen sei auch deshalb wichtig, «weil sie eine der wichtigsten Schnittstellen zwischen Staat und Religion ist», sagt Hansjörg Schmid, Direktor des SZIG.

Für ein Pilotprojekt im Kanton Zürich entwickelte das Zentrum eine Weiterbildung für muslimische Seelsorger. Es vermittelte zwischen Kanton und muslimischen Organisationen, um die Zusammenarbeit zu organisieren. Und bietet einen CAS an, einen 15-tägigen Weiterbildungsstudiengang.

Der Kanton Zürich schätzt das SZIG deshalb als Brückenbauer, sagt Nina Yehia von der kantonalen Fachstelle Religion, und als Garant für die Qualität der Ausbildung.

Zu nah an den Musliminnen und Muslimen?

Die islamisch-theologische Forschung am SZIG hilft den Seelsorgenden zudem, mit neuen Herausforderungen umzugehen, wie etwa mit Fragen zu neuen Behandlungsmethoden, Transplantationen oder der Fortpflanzungsmedizin.

Die Angebote des SZIG

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Das Schweizerische Zentrum für Islam und Gesellschaft

  • bietet einen Masterstudiengang und ein Doktoratsprogramm sowie Weiterbildungen für Musliminnen und Muslime (Seelsorge, Imame und Religionslehrerinnen) und Behördenmitglieder (Radikalisierungsprävention) an
  • betreibt die Website «Islam and Society» mit Informationen zum Schweizer Islam und
  • erstellt Gutachten und Studien im Auftrag von Bund und Kantonen, etwa zu antimuslimischem Rassismus.

Allerdings gibt es auch Kritik. Das SZIG sei zu nah dran an den muslimischen Gemeinschaften, könne so nicht kritisch genug sein, etwa bei Themen wie Radikalisierung oder dem Einfluss aus dem Ausland auf Schweizer Moscheen.

«Den Islam zu kritisieren ist geradezu in», sagt dazu SZIG-Direktor Hansjörg Schmid.Pauschale Kritik führe stets zu Abwehr. Allerdings sei es durchaus möglich, kritischePunkte anzusprechen – von innen. «Wir haben etwa Workshops veranstaltet zu Gender-Diversität», erklärt Schmid. Dazu brauche es aber ein Vertrauensverhältnis.

Menschenmenge auf einem belebten Weihnachtsmarkt.
Legende: Etwa fünf Prozent der Gesamtbevölkerung: Gemäss der Schweizerischen Strukturerhebung 2019 zählt der Islam in der ständigen Wohnbevölkerung rund 392'000 Gläubige über 15 Jahre. KEYSTONE/Walter Bieri

Die Kritik der SVP geht jedoch weiter: Sie warf dem SZIG in einem Vorstoss im Nationalrat vor, «schockierende Positionen» zu vertreten - etwa weil es sich dafür einsetze, dass Musliminnen am Arbeitsplatz Kopftuch tragen dürfen - und radikale Tendenzen im Islam zu ignorieren. Eine vom Bund in Auftrag gegebene Evaluation kommt hingegen zu einem anderen Schluss: Es gebe «keine Anzeichen dafür, dass die zu untersuchenden Vorwürfe gerechtfertigt sind». Das SZIG habe sich «sehr gut etabliert und leiste sehr gute Arbeit».

 

Radio SRF2 Kultur, Perspektiven, 16.3.2025, 8:30 Uhr

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