Das Wichtigste in Kürze
- Eine Sonderausstellung in Genf setzt sich mit der Geschichte von Kampagnen gegen Aids auseinander.
- Seit den ersten Plakaten 1983 hat sich die Art, über Aids zu sprechen, stark verändert.
- Jedes Land fährt eine andere Kampagne: Die Schweiz versucht, mit Sachlichkeit aufzuklären statt mit Angst.
«Die Krankheit der Anderen»: So wird Aids abgestempelt, als die ersten Fälle auftreten. Aufklärungsplakate aus den 1980er-Jahren zielen auf Drogensüchtige, Homosexuelle und Prostituierte.
Der kranke Körper als Tabu
Die Kuratorin Sandra Sunier bleibt vor einem frühen Plakat der Ausstellung im Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondmuseum in Genf stehen: Es stammt aus den USA, abgebildet sind zwei schwarze Männer mit halbnacktem Oberkörper.
«Das ist typisch», sagt sie, «da man befürchtet hat, dass schwarze Männer mehr zur Zielgruppe gehören als die Weissen».
Auffällig ist auch, dass es Models mit muskulösen und gesunden Körpern sind. Auch dies sei bezeichnend für den Umgang mit Aids, sagt Sandra Sunier: Erst viel später sei ein Tabu gebrochen worden, und es wurden auch Menschen, die von der Krankheit gezeichnet sind, auf Plakaten abgebildet.
Mit Angst aufklären
Die Ausstellung ist chronologisch aufgebaut. Zu Beginn machen vor allem Aktivisten auf Aids aufmerksam. Die Regierungen taten sich zum Teil schwer, dieses heikle und intime Thema aufzugreifen. Doch spätestens als im Juli 1985 die ersten Menschen mit Blutkonserven infiziert wurden, rückte Aids endgültig ins öffentliche Bewusstsein.
Die weltweiten Aufklärungskampagnen waren sehr unterschiedlich. Gewisse Länder operierten mit der Angst: Ein Plakat aus Marokko zum Beispiel stellt das Virus als Schlange dar, eines aus Australien als Krake.
In Südafrika war die für Schwarze konzipierte Kampagne viel drastischer als die für die Weisse. Den Schwarzen wurde mit dem Tod gedroht mit schwarzen Männern, die um einen Sarg versammelt sind. Auf den Plakaten für die Weissen stehen farbige Graffitisprüche. «Das ist wahnsinnig, einen solchen Unterschied zu machen», sagt Sandra Sunier.
Sachliche Kampagne in der Schweiz
Die Ausstellung wurde aus dem Deutschen Hygiene-Museum in Dresden übernommen und in Genf mit den Schweizer Aids-Plakaten ergänzt.
Die Kampagne in der Schweiz unterscheide sich von den meisten anderen Ländern in einem wesentlichen Punkt, so Sandra Sunier. Aids sei nie verteufelt worden, die Schweiz sei immer sehr pragmatisch gewesen. So wurde mit Slogan «Stop Aids» dazu aufgerufen, sich mit einem Präservativ zu schützen. Erst vor wenigen Jahren wurde «Stop Aids» dann durch den Slogan «Love Life» abgelöst. Geblieben ist seit dem Anfang das rosarote O, dargestellt als Präservativ.
Wie sachlich die Schweiz aufklärte, illustriert auch eine Broschüre des Bundes, die 1986 an alle Haushalte verteilt wurde. Es wird nüchtern über Aids informiert und wie man sich davor schützen kann.
Aids auf dem Platzspitz
Ein wichtiges Thema der Ausstellung ist auch der engagierte Kampf gegen die Krankheit. In verschiedenen Videos kommen Protagonisten zu Wort.
Zum Beispiel Roger Staub. Er erzählt, wie er als Aktivist in den 1980er-Jahren auf dem Zürcher Platzspitz saubere Spritzen für Drogenabhängige verteilte, wie er eine Hotline einrichtete und wie er später beim Bundesamt für Gesundheit Kampagnenleiter war.
Der Kampf der Infizierten
Das letzte Wort haben schliesslich Menschen, die heute mit Aids leben. In der Schweiz ist für sie die Krankheit dank des Zugangs zu Medikamenten nicht mehr tödlich. Trotzdem führen sie einen täglichen Kampf, weil sie beispielsweise unter Nebenwirkungen leiden.
«Ein Mann erzählt, wie er alle Zähne verlor und Rückenschmerzen hat. Wir wollten zeigen, dass Aids trotz Medikamenten immer noch problematisch ist.» sagt Sandra Sunier.
HIV-Infizierung heute in der Schweiz
In der Schweiz werden nach wie vor jährlich über 500 Menschen mit dem HI-Virus infiziert. Die Ausstellung regt zum Nachdenken an und gibt einen interessanten historischen und gesellschaftspolitischen Einblick in den Kampf gegen Aids. Denn dieser ist noch nicht zu Ende.
Sendung: SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 1.12.2017, 8.20 Uhr.