Albumtipp
Verwirrspiel mit Cello: «Ich mag es seltsam und düster», erklärt Mabe Fratti ihren verwunschenen und hypnotisierenden Sound. Die Experimentalkünstlerin und Cellistin aus Mexiko City erforscht auf dem vierten Album «Sentir Que No Sabes» das Ungewisse, verbindet Jazz, Pop und Elektroakustik und ruft die Geister von Björk, Rosalía und Lenny Kravitz. Wie? Etwa der Lenny Kravitz! Tatsächlich: «Er ist so gut. Ich liebe seine ruhigen, romantischen Songs. Der Groove inspiriert mich. Ich habe jetzt tatsächlich einen Song nach ihm benannt.» Direkt hören kann man das – wie so vieles auf diesem Verwirrwerk – nicht. Aber da ist etwas dran. Und dieses etwas zu suchen, macht Mabe Fratti spannend. (Andreas Rohrer)
Bühnentipp
Teuflisch rot und beharrlich: «Bärner Gringe» handelt von der armen Magd Rötele, die wegen ihrer knallroten Haare vom Dorf verspottet wird. Doch sie wehrt sich, auch als eine Dürre übers Land zieht und ihr Mann stirbt. Sie bleibt. Anders der Verdingbub Fritz. Er muss gehen, schafft den Aufstieg und kehrt als Regierungsrat zurück. Inspiriert ist das Stück von Erzählungen des Emmentaler Dichters Simon Gfeller (1868–1943). Auf der Bühne des Landschaftstheaters Ballenberg tritt auch die Figur Simon Gfeller auf und ein Chor besingt das Geschehen. So erzählt «Bärner Gringe» vom Fremdsein und befragt das soziale Miteinander. (Fabienne Naegeli)
Literaturtipp
Empathisch und unverkitscht: Haben Sie Lust auf einen literarischen Abstecher in eine US-amerikanische Kleinstadt? Wenn ja, ist Richard Russo der ideale Reiseführer. Auch in seinem neuesten Roman «Von guten Eltern» erzählt er von Menschen, die mit Arbeitslosigkeit und Rassismus konfrontiert sind, aber allen wirtschaftlichen und politischen Widerständen zum Trotz für ein gutes Leben kämpfen. Es gefällt, wie Russo Probleme beim Namen nennt und doch voller Empathie zeigt, dass es nie zu spät ist, um nochmals neu anzufangen. (Britta Spichiger)
Konzerttipp
Stadtfüllende Klänge: Gute Nachrichten für alle, die im EM-Fieber sind: Nächstes Wochenende findet mit dem «Welt Jugendmusik Festival» sogar eine Art musikalischer Heim-WM in Zürich statt. 65 Jugendmusikvereine aus elf verschiedenen Ländern musizieren um die Wette – und laden alle Blasmusik-Fans zum Zuhören und Mitfiebern ein. Daneben gibt’s ein reiches Rahmenprogramm mit Gala-Konzerten im Kunsthaus und der Tonhalle, Open Air-Musik auf der Rathausbrücke und einem Festumzug mit 20 Formationen entlang der Bahnhofstrasse. (Elisabeth Kalnein)
Filmtipp
Irritation als Konzept: Yorgos Lanthimos inszeniert fünf Stars, darunter seinen «Poor Things»-Darling Emma Stone, in drei unabhängigen Episodenfilmen in komplett unterschiedlichen Rollen. Im Zentrum aller Episoden steht die Unterwerfung einzelner Menschen unter andere, in drei verschiedenen sozialen Hingabe-Systemen: im Arbeitsverhältnis, in der Ehe und in der Religion. Einmal mehr setzt der Regisseur dabei auf unverschämten Sex und auf blutige Momente, um die Absurdität seiner Konstellationen auf die Spitze zu treiben. Was diesmal fehlt, ist die Barmherzigkeit. Die gezeigten «Arten von Freundlichkeit» sind so clever wie bösartig. (Michael Sennhauser)