Eigentlich wollte Friedrich Dürrenmatt Maler werden. Schon als Kind hat er leidenschaftlich gemalt und gezeichnet, mit dem Stift fantasiert. Aus Büchern, die er in der Bibliothek seines Vaters gefunden hat, hat er Geschichten illustriert.
«Die Disposition von Text und Bild sehen wir schon sehr früh in Dürrenmatts Schaffen», sagt Madeleine Betschart. Die Direktorin des Centre Dürrenmatt in Neuchâtel hat mit ihrem Team das Zusammenspiel von Malen und Schreiben in Dürrenmatts Werk erforscht.
Kein Zwitter sein
«Soll ich malen oder schreiben? Es drängt mich zu beidem. Aber ich weiss auch, dass man diese beiden Künste nicht gleichzeitig ausüben darf, denn bald wird einer zum Zwitter. Er schreibt, da wo er malen sollte und wo Schreiben am Platze gewesen wäre, greift er zum Pinsel», schrieb Dürrenmatt als junger Mann seinem Vater.
Einen Entschluss fasste er als 25-Jähriger. Er wählte das Wort – und wurde Schriftsteller.
Trotz der Vorbehalte liess Dürrenmatt das Malen und Zeichnen nie ganz sein. Seine Bilder waren für ihn die Experimentierfelder fürs Schreiben.
«Meine Zeichnungen sind nicht Nebenarbeiten zu meinen literarischen Werken, sondern die gezeichneten und gemalten Schlachtfelder, auf denen sich meine schriftstellerischen Kämpfe, Abenteuer, Experimente und Niederlagen abspielen», schrieb Dürrenmatt 1978.
Rezept gegen Schreibblockaden
Für Dürrenmatt war Malen ein Prozess, um Gedanken zu ordnen – auch dann, wenn er beim Schreiben nicht weiterkam. «Auf seinem Schreibtisch hatte er stets zwei Papierstapel liegen. Wenn er einen Schreibstau hatte, hat er sich abgedreht und skizziert und umgekehrt», erklärt Betschart.
So entstand im Schatten seines geschriebenen Werks ein umfangreiches Bildwerk. Dieses blieb im Gegensatz zu Dürrenmatts weltberühmten Dramen und Texte weitgehend unbekannt. Nur ein paar Karikaturen und Buchillustrationen gelangten an die Öffentlichkeit.
Kein Bild verkauft
Über 1000 Bilder, Zeichnungen und Notizhefte umfasst die Sammlung des Centre Dürrenmatt Neuchâtel. Rund 700 weitere Bilder befinden sich in Privatsammlungen.
Dürrenmatt hat viele Bilder verschenkt – verkauft hat er kein einziges. Zeit seines Lebens bekam sie die Öffentlichkeit nur dreimal zu sehen: Seine Bilder wurden 1976 und 1985 in Neuenburg, 1978 in Zürich ausgestellt.
«Er sah das Malen als private Leidenschaft», so Betschart. Dass seine Bilder womöglich auf zu wenig Interesse stiessen, als dass er sie öffentlich zeigen wollte, dementiert sie: «Ich glaube, das war eine bewusste Entscheidung.
Dürrenmatt hätte die Gelegenheit gehabt weiter auszustellen. Es gab Anfragen von Museen aus dem In- und Ausland. Aber er hat es vorgezogen, die Bilder bei sich zu Hause zu haben oder zu verschenken.» Die Ausstellungsscheu war offensichtlich Konzept.
Malender Schreiber, schreibender Maler
«Ich muss beim Schreiben die Sätze fast in die Hand nehmen», hat Dürrenmatt einmal gesagt. «Ich male aus dem gleichen Grund, wie ich schreibe: weil ich denke.»
Er war in gewissem Sinne also ein malender Schreiber – oder ein schreibender Maler. Ein Denker mit Stift und Pinsel.