Der Blick ins Archiv der Fotostiftung ist exklusiv. Auf den deckenhohen Regalen stehen hunderte graue Kartonschachteln. Grosse Namen wie Paul Senn, Jakob Tuggener und Gertrud Dübi-Müller finden sich hier. Das Werk von über 2000 Schweizer Fotografinnen und Fotografen ist in den Räumlichkeiten in Winterthur gelagert. «Wir haben diese Bilder gesammelt, weil sie wichtig sind für die Geschichte der Schweizer Fotografie», sagt Stiftungsleiter Peter Pfrunder.
Die Schweizer Fotostiftung ist das visuelle Gedächtnis namhafter Schweizer Fotografinnen und Fotografen. Deshalb ist ihr Auftrag auch breit gefasst und beschäftigt sich mit dem Medium in all seinen Facetten: von der Gebrauchs- über die Presse- und Werbefotografie bis zur weltberühmten Kunstfotografie.
Fotografie ist lebendig und verderblich
Zum Kerngeschäft der Stiftung gehört deshalb auch das Sichern ganzer Archive. «Da sind nicht nur Meisterwerke darunter, sondern alles, was die Vision und das Weltbild eines Fotografen sichtbar machen kann.»
Diese Visionen vor dem Zahn der Zeit zu bewahren, auch das gehört zu den Aufgaben der Schweizer Fotostiftung. «Fotografie funktioniert mit Chemie und hat daher etwas Lebendiges – sie ist aber auch verderblich», sagt Pfrunder. Seine Leidenschaft für die Fotografie ist beim Gang durch die Stiftung spürbar, und sie steckt an.
Lichtgeschützt, digitalisiert und katalogisiert
Das Ausbleichen der Originalbilder lässt sich wohl verlangsamen, nicht aber aufhalten. In den Archivräumlichkeiten geschieht dies durch Klimatisierung und Lichtschutz. Der gesamte Bestand ist ausserdem digitalisiert und katalogisiert. «Das erleichtert es uns, Bilder nach bestimmten Kriterien zu suchen», ergänzt Peter. Die Archivschätze werden zwar an Museen auf der ganzen Welt ausgeliehen, doch eine Bildagentur ist die Schweizer Fotostiftung nicht.
Dieser kostbare und umfangreiche Bildschatz geht zurück ins Jahr 1971. Eine kleine Gruppe von Fotoenthusiasten hatte früh den Stellenwert der Fotografie als Kulturgut erkannt. Wenig später fand die mittel- und domizillose Stiftung einen provisorischen Unterschlupf im Zürcher Kunsthaus, bis sie schliesslich nach Winterthur kam.
Zusammen mit dem Fotomuseum bildet sie heute das wichtigste Zentrum für Fotografie in der Schweiz. Die beiden unabhängigen Institutionen profitieren von der räumlichen Nähe, veranstalten gemeinsam Ausstellungen, verfolgen aber je eigene Projekte.
Der Fotopionier, der für Walt Disney arbeitete
Ein beispielhafter Fall für die Arbeit der Fotostiftung ist Ernst Heiniger. Sein umfangreiches Werk ist in einer der drei Ausstellungen zum Jubiläum zu sehen. Ernst Heiniger startete um 1930 mit einer neuen, radikalen Art von Fotografie. Der Thurgauer Autodidakt beschäftigte sich bereits früh mit Grafik und betrat als Pionier das weite Feld der Werbung, wo Fotografie im Weltformat auf Plakatwänden Einzug hielt. Der umtriebige Fotograf hatte bald eine Filmkamera zur Hand, arbeitete mit Walt Disney zusammen und fand in Los Angeles eine zweite Heimat.
An Ernst Heiniger könne man die Veränderungen des Sehens über die Jahrzehnte ablesen, erklärt Peter Pfrunder. Nach jahrelanger Knochenarbeit ist es ihm 2014 gelungen, das vollständige Archiv von Ernst Heiniger aus Amerika in die Schweiz zu holen.
Mit «Good Morning, World!» zeigt die Schweizer Fotostiftung nun die erste umfassende Retroperspektive von Heinigers Werk seit 1993. Es ist eine Reise in eine Vergangenheit, die durch die Kamera eines grossen Fotografen zeitlos erhalten bleibt.