Es ist fast schon surreal, zusammen mit Gerhard Glück inmitten seiner bunten Werke zu sitzen. Da hängt etwa das berühmte Bild mit dem Sonnenblumenfeld. Darin steht ein Mann mit gepflückten Sonnenblumen in den Händen und schaut erschrocken unter seinem Strohhut hervor. Darunter steht «Vincent klaut schon wieder Sonnenblumen».
Das Bild ging in den 1990er-Jahren viral – damals noch als Postkarte. Es steht sinnbildlich für Gerhard Glücks Zugang zur Malerei, wie er im Interview sagt: «Wenn wir Dinge glaubhaft erfinden, also in diesem Fall malerisch, dann ist es gut gemacht. Dann haben die Dinge auch eine Überzeugungskraft, obwohl das nie so stattgefunden hat.»
Momentaufnahmen, die stundenlang dauern
Weitere Beispiele aus der Ausstellung zeigen diese Überzeugungskraft: Zwei Elefanten spielen Mikado, darunter steht «Mittagspause». Oder: Ein Mann steht mit einer Giesskanne in seinem Garten und schaut mit starrer Miene auf zwei nackte Gartenzwerge, die offensichtlich gerade beim Liebesspiel gestört wurden. Darunter steht: «Geahnt hatte er es schon lange.»
Das Besondere an diesen skurrilen Momentaufnahmen: Sie sind mithilfe feinster Pinselstriche in stundenlanger Arbeit liebevoll und detailgetreu aufs Papier gemalt. Am Anfang sei die Idee, sagt Gerhard Glück, und wenn sie ihn genug amüsiere, setze er sich in sein Atelier und bringe sie zu Papier.
Es ist ein wahrer Luxus, so zu malen. Das kann man sich nur erlauben, wenn man genug Geld hat.
«Das ist das Bittere. Im Kopf hat man es schon längst. Und dann sitzt man einen halben Tag an so einem Bild oder manchmal sogar länger.» Die Dauer des Malens stehe in keinem Verhältnis zur Zeit, in der die Idee entstehe. «Es ist ein wahrer Luxus, so zu malen. Das kann man sich nur erlauben, wenn man genug Geld hat.»
50 Jahre komische Kunst
Diesen Luxus kann sich der im deutschen Bad Vilbel geborene Künstler seit rund 25 Jahren erlauben. Seither lebe der ehemalige Gymnasiallehrer ausschliesslich von seiner Kunst, wie er sagt. Über die umfangreiche Retrospektive im Cartoonmuseum Basel freut er sich ausserordentlich: «Ich habe meine Bilder noch nie so schön präsentiert gesehen.»
Ich versuche, überall noch etwas Humoristisches herauszukratzen, doch es fällt mir zunehmend schwerer.
Die Ausstellung ist in unterschiedliche Themen gegliedert, die immer wieder in Gerhard Glücks über 50-jähriger Tätigkeit als Cartoonist auftauchen: Sein satirischer Blick auf die Kunstwelt, der kritische Blick auf Tourismus und Technologie, sein liebevoller Blick auf Paare und nicht zuletzt seine kleinen Seitenhiebe gegen Kirche und Religion.
Auf die Frage, wie er die Welt heute sieht, sagt er: «Zunehmend befremdet. Am liebsten würde ich mir eine schwarze Brille aufsetzen. Ich versuche, überall noch etwas Humoristisches herauszukratzen, doch es fällt mir zunehmend schwerer.»
Das Malen der Cartoons sei für ihn schon immer ein Versuch gewesen, mit dieser Welt klarzukommen – «eine kleine Genugtuung auf dem Papier» nennt es Gerhard Glück.
Ein Bild in der Ausstellung bringt die oft thematisierte Widersprüchlichkeit des Lebens genial auf den Punkt: Ein leicht üppiger Mann steht nackt auf einer Waldlichtung, hinter ihm liegen seine ausgezogenen Klamotten. Er betrachtet durch seine Brille einen kleinen gelben Schmetterling. Darunter steht «Alfred Freischmidts konsequente Flucht aus der Zivilisation scheiterte letztlich an seiner unverzichtbaren Brille».