Raphael Hefti blickt ehrfürchtig nach oben an die Decke. Riesige Reagenzgläser hängen dort. Der Raum ist abgedunkelt, die Röhren leuchten in blau, grün und rot.
Die Szenerie verströmt etwas Magisches, Poetisches – und doch ist es reine Physik. Durch die Glassröhren fliessen verschiedene Gase, die mit 9000 Volt zum Glühen gebracht werden.
«Das Lustige an einem Edelgas wie Helium ist, dass es eines der ersten Elemente überhaupt gewesen ist. Es ist einfach so – bäng – gleich nach dem Urknall entstanden.»
Den Urknall will Raphael Hefti in der Kunsthalle Basel nicht nachspielen. Aber er will Werke anderer Künstler zitieren. Etwa die des Künstlers Dan Flavin, der mit Leuchtstoffröhren und fluoreszierendem Licht Skulpturen schuf. Doch Hefti will sie noch weiter, grösser und erhabener denken.
Wissen schaffen, wo noch keines vorhanden ist
«Ich war neugierig und hab mich gefragt, ob man diese Skulpturen auch noch grösser machen kann. Und was wohl passieren würde, wenn es gelingt», erzählt Hefti.
Doch niemand konnte ihm die Frage beantworten. Also hat er in Basel Glasbläser aufgesucht, die für die Pharmaindustrie Reagenzgläser herstellen, und sie beauftragt. «Aber auch von denen konnte niemand sagen, ob es wirklich funktioniert.» Auch er wusste im Vorfeld nicht, wie und wo seine Versuche enden würden.
Die Unklarheit als Antrieb
Doch genau diese Ungewissheit scheint sein innerer Antrieb zu sein: Mit Materialien experimentieren, sie an die Grenzen ihrer Belastbarkeit führen und konventionelle Herstellungsprozesse für seine Kunst missbrauchen. Ja, sogar sich selbst und andere mit dem Ergebnis überraschen.
«Salutary Failures» heisst seine Ausstellung in der Kunsthalle Basel. Also «lehrreiche Fehler».
Wege sprengen und Gedanken weiterspinnen
«Dieser Moment, in dem man etwas macht, das man sonst nicht macht, ist extrem wichtig für meine Arbeit. An die Fehler, die jeder macht, anzuknüpfen und Vertrauen gewinnen. Die Wege zu sprengen und Gedanken weiterzuspinnen.» Das ist es, was Raphael Hefti antreibt.
Damit sei Hefti, der einst eine Lehre als Elektroniker absolvierte, dann Fotografie in Lausanne und Kunst in London studierte, ein sprichwörtlicher Vertreter einer experimentellen Kunstströmung, sagt die Kuratorin Elena Filipovic.
Gewaltige Sand-Kolosse
Eine Art Kontrapunkt zu seinen leicht aufsteigenden Gasen sind die grossen, schroffen Monolithen am Eingang der Kunsthalle. Wie Felsbrocken ragen sie spitz empor. Es sind echte Kolosse.
Sie bestehen aus 27 Tonnen Sand. Ein spezielles Baugerüst und die Einwilligung der Statiker waren nötig, um diese Kolosse aus Sand überhaupt in die Kunsthalle bugsieren zu können.
Zwischen Wissenschaft und Poesie
Gerade dieses Zusammenspiel von Schwere und Leichtigkeit, von Berechnung und Zufall, von Dingen, die vergänglich sind, die Zeit und Raum relativieren – das alles macht Heftis Arbeit so poetisch.
Er selbst glaubt an die Gesetze der Wissenschaft, wird aber nicht müde, sie auszureizen. Darüber gerät er ins Staunen und mit ihm die Besucherinnen und Besucher seiner Ausstellung.