2020 ist Beethoven-Jahr: Es scheint die ganze Welt zelebriert Beethovens 250. Geburtstag, sei es mit Konzerten, mit Biografien, aber auch mit Graphic Novels. So sind alleine in diesem Jahr gleich drei Beethoven-Comics erschienen. Der neuste, «Goldjunge» von Mikaël Ross, fokussiert auf Beethovens Kindheits- und Jugendjahre.
Als Kind gemobbt
«Was ist das für ein fürchterlicher Krach, Fräulein Cäcilia?» – «Das? Unser Nachbarsjunge! Er lernt gerade das Klavierspiel!» – «Oha…». Mikaël Ross macht schon auf den ersten Seiten seines Comics klar: Selbst ein Ludwig van Beethoven kam nicht als Genie zur Welt.
Beethovens Kindheit und Jugend war alles andere als eine «Ode an die Freude». Der kleine «Luddi» wird von Gleichaltrigen wegen seines Namens verspottet («van Kackhofen), sein tyrannischer, alkoholabhängiger Vater ist ständig verschuldet und will den Sohn als Wunderkind vermarkten.
Der macht sich derweil vor seinem ersten Konzert in Wien im wahrsten Sinne des Wortes in die Hose. Nicht vor Nervosität: Beethoven leidet seit Kindesbeinen und lange vor seiner Taubheit an chronischen Verdauungsbeschwerden: «Klomp! Verräter. Verräterischer Körper. Ein schleimiger Wurm, der über die Erde kriecht... und von Himmelsmusik träumt. Kriech weiter Wurm.»
Weg vom Genie-Kult
Mikaël Ross lässt Beethoven seitenweise in Albträumen verschwinden und deckt ein breites emotionales Spektrum ab. Themen wie Schuld, Selbstzweifel und Tod kommen darin vor.
All das hat wenig von dem «grossen» Beethoven, den dieses Jahr auch viele Comic-Autoren huldigen, wie Peer Meter in «Unsterbliches Genie». Ross möchte dagegen zeigen wie Beethoven als Mensch war und setzt dafür auf Biografien und historische Quellen. Darunter ein Bericht von Gottfried Fischer, einem Nachbarsjungen der Beethovens.
Wirklich neu ist das alles nicht. Spassig sind aber die vielen erfundenen Randgeschichten, zum Beispiel eine Begegnung mit Mozart. Der ist im Comic eine absurde Witzfigur, ständig auf Schürzenjagd: «Hundert Küsse auf dein Pferdegesicht. Und nochmal tausend auf deinen Prachtarsch.»
Nichts für Kinder
Mit «Knall!», «RRRums!» und «Vlam» bringt Ross Comic-Pfeffer in seine Graphic Novel. Die lockere, vulgäre Sprache überrascht, ist unter anderem aber historisch begründet.
So soll Beethoven seine Brüder tatsächlich «Hirnfresser» genannt haben. Doch Ross übertreibt es bisweilen mit Fäkalwitzen, das war schon in Miloš Formans Film «Amadeus» nicht besonders witzig.
Ganz klar handelt es sich darum bei «Goldjunge» nicht um den typisch niederschwelligen Comic, der Kindern Beethovens Musik vermitteln will. Wie die «Peanuts»-Cartoons der 1950er- und 1960er-Jahre von Autor und Zeichner Charles M. Schulz, in denen der Komponist immer wieder Thema war. «Goldjunge» richtet sich in seiner Erzählweise an Erwachsene.
Ein zeichnerisches Feuerwerk
Für seinen letzten Comic «Der Umfall» erhielt Mikaël Ross den Max & Moritz-Preis in der Kategorie «Bester deutschsprachiger Comic». Dass er einer der stärksten Zeichner der gegenwärtigen deutschsprachigen Szene ist, zeigt seine Bildsprache in «Goldjunge».
Eher dunkel und farblos gestaltet er Beethovens Alltag – dessen Musik dagegen in bunten Farben, unaufhaltsam aus dem Klavier strömend. Der Musik sind die Grenzen der Buchseiten egal, sie zieht sich über mehrere Seiten und sprengt das Format des Comics.
So muss Beethovens Musik auf seine Zeitgenossen gewirkt haben. Wie Sprengstoff: «Das Orchester eröffnet mit einem pompösen Mozart-Abklatsch. Das ist die Zuckerglasur. Aber unter der Mozart-Glasur ist gar keine Torte! Darunter ist meine Musik versteckt. Hehehe!» Beethovens Plan ging auf. Dass der Komponist damit Erfolg hatte, wissen wir heute.