Mitten im Ausstellungsraum steht eine hölzerne Baracke, darin ein paar Stühle, mehrere Tischchen mit Plattenspielern und Regale voller Schallplatten. Von der Decke baumelt ein Kronleuchter.
Im Hintergrund läuft Opernmusik und immer wieder die Stimme eines Mannes. Das Ganze wirkt wie ein bizarres Refugium für jemanden, der nicht zu sehen ist. Unwillkürlich fragt man sich, was hier passiert ist.
Janet Cardiff und George Bures Miller servieren in ihrer Soundcollage nur Bruchstücke einer Geschichte. Der Mann erzählt von einer Frau. Dann von einem Zug, den er gesehen habe. Trotzdem oder gerade deshalb ist man sofort verzaubert.
Hörspiel trifft Kino
Als man den Zug, von dem der Mann spricht, dann tatsächlich hört – und zwar sehr plastisch in Surround-Sound – leuchten seine Lichter kurz in der Baracke auf, der Kronleuchter wackelt. So verschwimmen plötzlich die Grenzen zwischen Fiktion und Realität – zwischen der Geschichte, die sich im Kopf der Besucherinnen und Besucher entspinnt und dem, was man tatsächlich sieht.
Man fühlt sich wie in einer eigenartigen, aber absolut faszinierenden Mischung aus Hörspiel, Theaterstück und Kino. Diese Mischung ist typisch für die Arbeiten von Janet Cardiff und George Bures Miller: «Wir arbeiten gerne mit ‹Magie›. Es geht uns ums Spielen, darum, dass unsere Kunst Spass macht», erklärt Janet Cardiff.
Anfassen erwünscht
Zum Spielen lädt diese Ausstellung tatsächlich ein: Mehrere Arbeiten sollen explizit angefasst werden. Da gibt es einen Tisch, der Geräusche, Stimmen und Klänge von sich gibt, wenn er berührt wird. Oder den Schrank mit den vielen Schubladen: Wer sie öffnet, entdeckt hinter jeder eine andere akustische Überraschung.
Beim «Instrument of Troubled Dreams», dem «Instrument der sorgenvollen Träume» können die Besuchenden sogar ihren eigenen Klangteppich erzeugen: mit einem Mellotron, einem Tasteninstrument, das als Urform des Samplers gilt.
Die Besuchenden als Komponisten
Dabei ist auf jeder der 72 Tasten ein anderer Klang gespeichert: rätselhafte Textfragmente, Geräusche wie eine knarzende Treppe und Musik.
George Bures Miller zeigt vor Ort, wie das Mellotron funktioniert: «Man kann hier die verschiedenen Instrumente einzeln erklingen lassen: die Pauken, die Streicher und die Blechbläser. Wenn man alle Tasten auf einmal drückt, spielt das ganze Orchester.» Janet Cardiff ergänzt: «So kann man seinen eigenen Filmsoundtrack kreieren.»
Tanzende Tötungsmaschine
Bei aller Spielfreude und Leichtigkeit sind die Arbeiten der beiden nie oberflächlich, sondern im wahrsten Sinne des Wortes vielschichtig. Das zeigt ihre wohl politischste Arbeit «The Killing Machine», eine Art Folterinstrument, das die beiden 2007 entwickelt haben, nach der Enthüllung des Abu-Ghraib-Folterskandals im Irak.
Die «Tötungsmaschine» besteht aus einem alten Zahnarztstuhl und zwei Robotern. Drückt man auf einen Knopf, fahren die Roboterarme Nadeln aus und malträtieren damit ein unsichtbares Opfer.
Das ist unheimlich und gleichzeitig irgendwie schön. Denn die Roboter wirken, als würden sie miteinander tanzen. Ist das nun abstossend oder faszinierend? Auf jeden Fall kann man kaum den Blick davon abwenden – wie bei so vielen Arbeiten dieser absolut sehenswerten Ausstellung.