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Ein Tabubruch? Das Museum Langmatt will Bilder aus der Sammlung verkaufen
Aus Kultur-Aktualität vom 25.06.2023. Bild: Ausstellung «Forever Young»/Museum Langmatt
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Entsammlung von Kunstdepots Wann darf ein Museum seine Kunst verkaufen?

Die Ankündigung des Museums Langmatt in Baden, Teile seiner Sammlung zu entäussern, hat zu heftigem Protest geführt. Kritiker wittern einen «Tabubruch». Das Museum entgegnet, der Verkauf sei nötig, um den Betrieb aufrechtzuerhalten.

Zur Sammlung gehören 50 Bilder französischer Impressionisten wie Cézanne, Monet oder Gauguin. Kunstrechts-Expertin Sandra Sykora über Chancen und Risiken, die ein Verkauf von Kunstwerken für ein Museum bergen.

Sandra Sykora

Juristin und Kunsthistorikerin

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Sandra Sykora ist Expertin für Kunstrecht an der Uni Basel. Sie berät unter anderem Museen, Kunsthandel, Versicherungen, Künstlerinnen und Kunstexperten.

SRF: Wie sieht das rechtlich aus: Dürfen Museen Werke aus ihren Sammlungen veräussern?

Sandra Sykora: Es ist nicht so, dass Museen grundsätzlich ihre Sammlungsbestände nicht veräussern dürfen. Aber wir müssen zunächst schauen, wer der Eigentümer eines Werkes ist und welche rechtlichen Vorschriften für diesen gelten.

Bei Eigentümerschaften in öffentlicher Hand kann es sein, dass das Werk unveräusserlich ist. Zum Beispiel in Basel: Das Museumsgesetz bestimmt ausdrücklich, dass die Gegenstände von Sammlungen der Museen unveräusserlich sind.

Das Bundesgesetz über die Museen der Sammlung des Bundes sieht es hingegen vor, dass theoretisch die Sammlungen des Bundes auch an Dritte veräussert werden können.

Gibt es weitere Regeln?

Eine weitere Frage, die sich bei einer sogenannten «Ent-Sammlung» stellt: Wie ist das Werk überhaupt zur Sammlung gekommen? Wenn es sich um eine Schenkung handelte, kann daran die Bedingung geknüpft sein, dass das Objekt nicht veräussert werden darf.

Leere Bilderrahmen in einem Depot des Kunstmuseums St. Gallen.
Legende: Platz schaffen im Depot? Leere Bilderrahmen, aufgenommen im Depot des Kunstmuseums St. Gallen. KEYSTONE/Gian Ehrenzeller

Es wird immer wieder hitzig diskutiert, wenn Museen Werke aus ihren Sammlungen veräussern wollen. Was macht das Ent-Sammeln, wie das in Museumskreisen genannt wird, so problematisch?

Die Grundfrage ist: Sollen Museen, bei denen das Sammeln zur klassischen Grundaufgabe gehört, auch ent-sammeln dürfen? In der öffentlichen Meinung wird das Museum immer noch als gebauter Generationenvertrag bezeichnet.

Der Internationale Museumsrat ICOM hält das in seinen ethischen Richtlinien sehr schön fest: Es geht darum, dass man es mit einem öffentlichen Vertrauensverlust zu tun hat, wenn man Objekte aus Sammlungen entfernt.

Was spricht dafür, dass Museen auch ent-sammeln?

Eigentlich gehört es zur Schärfung einer Sammlung dazu, dass man Objekte auch mal wieder vor die Tür stellt. Es gibt verschiedene kuratorische Überlegungen, die zu Ausscheidungen führen können. Zum Beispiel, wenn Objekte nicht mehr zur Sammlung passen. Oder wenn der Zustand eines Werks so schlecht ist, dass es gar nicht mehr ausgestellt werden kann.

Man kann Objekte auch ausscheiden, weil sie Doubletten sind – bei Druckgrafiken oder Fotografien ist das häufig der Fall. Letztlich schafft man so Ressourcen für Erwünschteres. Museumsdepots sind oft voll und ausgesprochen aufwendig zu unterhalten.

Und wenn es nur ums Geld geht?

Selbstverständlich gibt es auch die finanziellen Aspekte – und die sind besonders umstritten. Wenn Objekte veräussert werden, nur um die fiskalische Situation vom Museumsträger zu verbessern oder eine Sanierung des Museums zu ermöglichen, wird das als unethisch betrachtet. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele.

Das Gespräch führte Alice Henkes.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 22.6.2023, 8:06 Uhr ; 

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