In seinen Fotografien werden sie sichtbar: die Schwächen und Ambivalenzen des Menschen. Hugo Jaeggi zeigte Menschen oft verletzlich und kraftvoll zugleich.
Sein Werk ist gross, aber ausserhalb der Schweiz nicht wirklich bekannt. Der Filmemacher Jérôme Depierre widmete dem 2018 verstorbenen Schweizer Fotografen einen Dokumentarfilm. Dieser soll sein Werk nicht nur festhalten, sondern auch mit der Welt teilen.
SRF: Erinnern Sie sich an die erste Begegnung mit Hugo Jaeggi?
Jérôme Depierre: Vor fünf Jahren nahm mich meine Tante in Basel an einen Kunstbetrachtungskurs mit. Hugo Jaeggi stellte dort seine Bilder vor. Nach dem Vortrag sprach er mich an. Er wollte wissen, ob ich auch fotografiere.
Wieso sprach er gerade Sie an?
Ich war der jüngste unter den 20 Teilnehmern. Hugo Jaeggi war immer am Austausch mit jungen Menschen interessiert – bis 81 unterrichtete er Fotografie an einer Steiner-Schule.
Wollte er Ihre Bilder sehen?
Ja, er bat mich, meine Bilder in den nächsten Kurs mitzubringen. Eine Woche später überreichte ich ihm einen zugeklebten Umschlag mit meinen Fotos. Ich hoffte inständig, er möge ihn nicht gleich öffnen. Ich war nervös, war beeindruckt von seinen Bildern. Mit dem ungeöffneten Couvert in der Hand sagte er: «Ruf mich in zwei Wochen an.»
War das der Anfang einer Freundschaft?
Genau. Ich rief ihn an und besuchte ihn das erste Mal in Burg im Leimental, wo er lebte. Danach fuhr ich regelmässig zu ihm, auch als ich nach Berlin zog. Jaeggi wurde mein Mentor. Wir führten lange Gespräche über intellektuelle, zwischenmenschliche und soziale Aspekte der Fotografie.
Mit jeder seiner Fotografien wollte er etwas Unerhörtes erzählen.
Was haben Sie von ihm gelernt?
Jaeggi hatte diesen steten Drang, Bilder zu machen. Seine unermüdliche Neugier beeindruckte mich sehr. Auch seine Fähigkeit, sich auf Menschen und Situationen einzulassen. Er war ein Wunderfitz mit einem unglaublichen Blick für Details. Seine Euphorie für die Fotografie war ansteckend.
Wie war er als Person?
Er hat in seiner eigenen Welt gelebt. Ohne sich von anderen beeinflussen zu lassen, ging er seinen Weg. Als Mensch war er bescheiden und voller Selbstzweifel. Immer wieder hinterfragte er sein Werk. Mit jeder seiner Fotografien wollte er etwas Unerhörtes erzählen.
Jaeggi ist in der Schweizer Fotografieszene bekannt. Kennt man ihn auch im Ausland?
Der internationale Durchbruch gelang ihm nicht. Unter anderem, weil er sehr zurückhaltend und kein Angeber war. Die Qualität seines Schaffens aber ist herausragend. Hugo Jaeggi kann sich durchaus mit Fotografen wie Werner Bischoff oder Jacob Tuggener messen.
Zusammen mit Matthias Leupold haben Sie einen Film über Hugo Jaeggi gedreht. Wie kam es dazu?
Ich habe meinem früheren Professor und Dokumentarfilmer Matthias Leupold in Berlin einen Fotoband von Jaeggi gezeigt. Leupold war begeistert und wir meinten, diese Bilder müsse man verfilmen. Dann geschah alles impulsartig. Jaeggi zeigte sich erst überrascht über die Filmanfrage. Er sei doch nicht so wichtig, sagte er. Typisch.
Was möchten Sie mit dem Film erreichen?
Unser Film will Jaeggi als Mensch in Erinnerung behalten. Wir wollten sein Erbe, seine Geschichte und bildstarken Träume festhalten, um auch zukünftige Generationen von Fotografen damit zu inspirieren. Toll wäre, wenn Jaeggis Werk mithilfe des Films international doch noch Bekanntheit erlangte.
Das Gespräch führte Nicola Mohler.