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Fragwürdige Sponsoren Wessen Gelder dürfen Museen annehmen?

Dürfen sich Museen von Erdölfirmen oder Tränengasfabrikanten sponsern lassen? Darüber wird derzeit heftig diskutiert.

Anfang September trifft sich die internationale Museumswelt zum Jahreskongress des Dachverbands ICOM in Tokio. Die Zunft hat einiges zu besprechen. Nicht nur die neue Selbstdefinition sorgt für Kontroversen, sondern auch die ethische Vertretbarkeit von Sponsoren.

Kritik mit Folgen

Proteste gegen einzelne Museumssponsoren waren jüngst erfolgreich: Mehrere internationale Museen haben sich etwa vom Sponsoring der Sackler-Familie distanziert .

Leute protestieren vor dem Pariser Louvre. Sie halten Transparente in der Hand.
Legende: Ihr Name soll aus dem Louvre verbannt werden: Proteste in Paris gegen die Pharma-Familie Sackler. Keystone / Stephane de Sakutin

Nach monatelangen Künstlerprotesten ist das Vorstandsmitglied des Whitney Museums in New York, Warren E. Kanders , zurückgetreten.

Als Vorstand traf Kanders strategische Entscheidungen und unterstützte das Haus mit hohen Geldsummen. Grund der Proteste gegen ihn: Tränengas aus Kanders' Unternehmen wurde an der mexikanische Grenze von US-Behörden gegen Immigranten eingesetzt.

Leute protestieren vor dem Whitney Museum in New York: sie halten gelb-schwarze Transparente.
Legende: Güter für das Militär herstellen und im Museum mitwirken? Das geht nicht, finden die Protestierenden und fordern den Rücktritt von Warren Kanders. Keystone / Stephane de Sakutin

Ein Rücktritt gibt zu reden

Tobia Bezzola, Präsident von ICOM Schweiz und Direktor des Museo d’arte della Svizzera italiana in Lugano (MASI), kann die Künstlerproteste nachvollziehen. Der studierte Philosoph bleibt in der Analyse aber unbestechlich.

Im Fall Kanders sei die Schuldfrage verschoben worden, schliesslich sei Tränengasproduktion legal und Kanders habe nicht den Befehl zum Einsatz gegeben, so Bezzola. «Ich weiss nicht, ob die Herstellung von Tränengas eo ipso eine fragwürdige Tätigkeit darstellt».

Der Rücktritt regt grundsätzliche Fragen an: Sollen in der Museumswelt andere Standards gelten als im Rest der Gesellschaft? Und: Wer bestimmt, was «fragwürdig» ist?

Schwarze Liste

Derzeit entscheiden das aktivistische Künstlerinnen und Künstler, die gegen Kanders, gegen die Sackler-Familie oder den britischen Ölgiganten BP als Museumssponsoren protestierten.

Besonders US-amerikanische Museumsleute sind verunsichert. Das New York Magazine befeuert ihre Ängste und hat eine schwarze Liste der «Most Toxic Museum Boards» , also der fragwürdigsten Museumsvorstände, veröffentlicht. Die Frage ist: Who's next?

«Bessere Welt» nur in Museen?

Der Schweizer Museumsmann Tobia Bezzola bezeichnet die Empörungswellen als «öffentlichkeitswirksame Symbolpolitik». Die Proteste änderten etwa nichts am Einsatz von Tränengas gegen Immigranten.

Aber ist das nicht ein Argument für eine höhere Messlatte, wenn es um die Auswahl von Sponsoren für Kulturinstitutionen geht? Eben weil auf politischem Weg Veränderungen oft nur schwer zu erreichen sind?

«Das hängt davon ab, ob sich eine Kulturinstitution im Mission Statement selbst darauf verpflichtet», so ICOM Schweiz-Präsident Bezzola, der bereits die Verteidigungsstrategie der Museen absteckt.

Und die Schweiz?

Bezzola sagt aber klar: Auch wenn die zum Grossteil öffentlich finanzierten Schweizer Museen viel weniger stark von Sponsoren abhängen: Die Debatte betreffe auch die Schweiz. Auch hier gebe es Fälle und Debatten .

ICOM Schweiz will nächstes Jahr an einer Tagung über das Thema beraten. Nur von fixen Regeln will man nichts wissen.

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