Verrückte Jagd nach einem «Vogel»: Über drei Jahrzehnte suchten tausende Franzosen verzweifelt die «Goldene Eule». Rekapitulation einer Schatzsuche, die für viele mehr als ein Spiel war.
Wie alles begann: In der Nacht vom 23. April 1993 grub Paul Régis Hauser, ein ehemaliger Rallye-Fahrer, Kommunikationsexperte und professioneller Rätselersteller, ein Loch. 80 Zentimeter unter Tage versteckte er eine bronzene Replik der «Chouette d’Or», der Goldenen Eule. Unter dem Pseudonym Max Valentin veröffentlichte er anschliessend das Buch «Sur la trace de la chouette d’or» («Auf den Spuren der Goldenen Eule»): eine 22-seitige Anleitung zur Schatzsuche.
Die Jagd auf den Vogel war damit eröffnet. Der Finderlohn: eine goldene Edel-Variante, aufbewahrt in einem Banktresor. Geschätzter Wert: 150’000 Euro.
Eine ellenlange Suche: Eigentlich dachte Hauser, dass die Suche nur zwei Jahre dauern würde – leicht verschätzt! Die «Chouetteurs», wie die Schatzsucher sich nannten, suchten lange vergebens. Mit Metalldetektoren scannten sie Felder, Wiesen und ganze Dörfer ab. Bei manchen Eulen-Suchern weckte die Obsession mit dem Schatz gar kriminelle Energie: Es wurde in privaten Grundstücken gebuddelt, gar Bahngleise wurden gesprengt. Ein Jäger war so scharf auf die Statue, dass er mit einer Spitzhacke versuchte, in einer Bank ein Loch zu graben. Es zahlte sich nicht aus.
Die Suche schien so hoffnungslos, dass manche auch munkelten, dass es die Statue gar nicht gäbe. Ein Schatzsucher, der besonders vergiftet war, vermutete gar einen Betrug: Yvon Crolet, ein Ingenieur aus Paris, soll knapp 100 Löcher gebuddelt haben – in keinem fand er die Eule.
Eine moderne Schatzsuche: Sprachspiele, Denksportaufgaben, kartografische Rätsel, historische Anspielungen, Mathematikaufgaben: Das Buch, das Hauser zusammen mit dem Künstler und Zeichner Michel Becker schuf, lieferte allerlei Indizien für Schatzsuchende. Doch Hauser, der von Haus aus Kommunikationsprofi war, nutzte ein weiteres Kommunikationsmittel: Minitel, ein französischer Vorreiter des Internets, einen kostenpflichtigen Server.
Dort versorgte er die Schatzsucher mit Hinweisen – teilte mit, dass der Fundort mindestens 100 Kilometer im Landesinneren liege. Und er beantwortete Nachrichten: Satte 100’000 Fragen soll er beantwortet haben, bis 2001 der Server eingestellt wurde. Mit Minitel verdiente er angeblich auch nicht wenig. Die Suche ging später auf anderen Plattformen weiter: Auf Facebook etwa tauschten sich Eulen-Sucher rege aus, teilten frische und manchmal auch falsche Fährten.
Das Ende von Hauser – aber nicht der Suche: Hauser verstarb 2008. Das Ende der Suche erlebte er nicht mehr. Die Koordinaten des Verstecks blieben in einem versiegelten Umschlag bei einem Notar verwahrt: Michel Becker, Mitschöpfer des Buchs und Schöpfer der Eule, sah sich zudem als alleiniger Besitzer der wertvollen Variante, die eben in der Bank lag.
Er klagte auf Herausgabe, wollte die Edel-Variante der Eule, den Finderpreis also, gar versteigern. Ein paar «Chouetteurs» protestieren, sammelten Geld, gingen rechtlich gegen Becker vor – und gewannen. Zwei gerichtliche Entscheide verboten 2014 den Verkauf.
Der Fund: Am 3. Oktober ist es endlich soweit: Becker, der nach dem Tod Hausers zum Spielleiter wurde, teilte mit: «Grabt nicht mehr! Wir bestätigen euch, dass die Replik der Goldenen Eule in der Nacht auf heute gefunden wurde». Die Schatzsuche bleibt jedoch bis zum Schluss mysteriös: Wer sie wo gefunden hat, weiss man – Stand heute – noch nicht.