«Sie sind immer wieder für eine Überraschung gut», sagt Vicky Richardson. Die Architekturexpertin hat in der Royal Academy of Arts eine Werkschau über das Basler Architekturbüro Herzog-&-de-Meuron kuratiert.
Zwei Jahre arbeitete Richardson an der Ausstellung und stand daher in regem Austausch mit dem Basler Duo. «Keines ihrer Bauwerke gleicht einem andern. Das macht ihre Arbeiten so spannend. Man weiss nie, was als nächstes kommt.»
Die Londoner Ausstellung behandelt drei Themen. Das Schaffen von Herzog & de Meuron im Wandel der Zeit. Wie erlebt man ein Bauwerk? Und worauf kommt es beim Bau eines Spitals an? Letzteres zeigt sich am Beispiel des Zürcher Kinderspitals, das 2024 fertig werden soll.
Vom Architekten-Duo zum Weltkonzern
Jacques Herzog und Pierre de Meuron begannen 1978 zu zweit, mit dem Ausbau eines Dachgeschosses im Basler Vorort Riehen.
45 Jahre später ist ihr Büro längst ein internationaler Architekturkonzern mit rund 600 Mitarbeitenden, die Kulturbauten, Stadien, Lagerhäuser, Bürotürme, Schulen, Spitäler oder Privathäuser neu- oder umbauen. Ihre Projektliste ist inzwischen auf 597 angewachsen.
Von Basel in die Welt – und zurück: Herzon & de Meuron
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Bild 1 von 6. Elbphilharmonie, Hamburg. Fertiggestellt 2016, ist die «Elphi» schnell eines der Wahrzeichen der Stadt geworden. Bildquelle: Keystone/dpa/Gorg Wendt.
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Bild 2 von 6. Olympiastadion, Peking. Das «Vogelnest» wurde für die Olympischen Spiele 2008 in Chinas Hauptstadt Peking gebaut. Bildquelle: Imago/Arcaid Images.
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Bild 3 von 6. VitraHaus, Weil. Kreuz und quer: Seit 2010 dient das VitraHaus in Weil/Rhein als Ausstellungshaus und Flagshipstore des Möbelherstellers. Bildquelle: Keystone/Georgios Kefalas.
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Bild 4 von 6. Caixa Forum, Madrid. 2008 eröffnete das Caixa Forum Arts Center in Madrid, Spanien. Das ehemalige E-Werk ist Ort für Ausstellungen, Konzerte, Multimedia Workshops und Konferenzen. Bildquelle: IMAGO/Panthermedia.
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Bild 5 von 6. Blavatnik School of Government, Oxford. Seit 2016 wird an der Blavatnik School of Government in Oxford gelehrt. Bildquelle: Hufton+Crow/View Pictures/Universal Images Group/Getty Images.
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Bild 6 von 6. Roche-Turm 1 und 2, Basel. Von Basel in die Welt – und zurück: Seit 2015 prägt der Roche-Turm das Stadtbild von Basel. 2022 kam der zweite hinzu. Bildquelle: KEYSTONE/Gaetan Bally.
Eine Vielfalt von Bauwerken, die ihresgleichen sucht. Und doch erkennt Architekturexpertin Richardson einen roten Faden: «Sie schauen auf die Welt, die uns umgibt und auf den Kontext, in dem ein Projekt angesiedelt wird – und fragen, wie Architektur auf die dortigen Herausforderungen antworten kann.»
Kein Copy-and-Paste also, keine wiederkehrenden Stil-Elemente. Im Gegenteil: Bei Herzog & de Meuron ist jedes Projekt ein Unikat – von der optischen Erscheinung bis zu den verwendeten Materialien.
«Sie arbeiten wie Archäologen, wenn sie einen möglichen Bauplatz begutachten», sagt Richardson. «Was war dort früher, was steht heute dort und was kann in die Zukunft mitgenommen werden?»
Ständige Suche nach Sinn und Substanz
«Ich versuche bis heute herauszufinden, was Architektur ist», schreibt Jacques Herzog im Buch, das gemeinsam mit der Ausstellung von der Royal Academy of Arts herausgegeben wird.
Herzog ergänzt: «In der Vergangenheit wurde Architektur als Disziplin definiert. Unser Werk basiert auf dieser Unsicherheit und sucht auf experimentelle Weise zu ergründen, was Architektur sein könnte.»
Von aussen betrachtet, erkennt Richardson eine weitere Gemeinsamkeit aller Arbeiten: «In ihren Gebäuden bekommen die Nutzenden eine Bühne, um sich zu entfalten. Projekte gelten bei Herzog & de Meuron erst als abgeschlossen, wenn die Gebäude von den Menschen seit einiger Zeit genutzt werden und sich bewähren konnten.»
Nützlich und schön zugleich
Ein 680-Millionen-Franken teures Grossprojekt der Architekten steht kurz vor der Vollendung: das Universitäts-Kinderspital Zürich. In der Londoner Ausstellung bildet es einen von drei Schwerpunkten. Auch hier stehen die künftigen Nutzenden im Zentrum: Kinder.
«Es muss in den Proportionen noch etwas bewusster, kleiner sein als herkömmliche, grosse Spitäler», erklärt Jacques Herzog vor Baubeginn 2018 gegenüber SRF, «damit sich Kinder darin nicht verloren fühlen.»
Das sei den Architekten gelungen, lobt Richardson: «Sie machen vor, dass sogar ein technisch hochkomplexes Gebäude wie ein Kinderspital schön sein kann – und schön sein sollte: In einer schönen Umgebung fühlen sich Menschen besser, was den Heilungsprozess beschleunigen kann.»