Es gäbe unzählige Möglichkeiten, wie man Gerhard Richter ausstellen könnte. Man könnte seine fotorealistischen Arbeiten zusammentragen, seine abstrakten Bilder oder die neusten Werke zeigen, wo er mit digital erzeugten Streifen auf Glas arbeitet. Oder man inszeniert seine übermalten Fotografien, kleine Bilder in dicker Farbe. Oder, oder, oder.
Die Fondation Beyeler, namentlich Direktor Sam Keller und Gastkurator Hans-Ulrich Obrist, haben sich für eine weitere Variante entschieden: Sie widmen die umfassende Werkschau Gerhard Richters Serien und Zyklen.
Facettenreiche Annäherung an berührende Motive
Darunter zu verstehen sind zusammengehörende Werke, denen entweder dasselbe Sujet zugrunde liegt oder die sich einem bestimmten Thema gleichermassen widmen.
Im ersten Fall nähert sich Richter einem Motiv von verschiedenen Seiten, mit verschiedenen Techniken. Besonders berührend tut er dies bei den Werken mit den Titeln «S. mit Kind» von 1995, wo er eigene Familienfotos als Grundlage nimmt. Der Blickwinkel ändert sich von Werk zu Werk, aber auch die Gestaltungstechnik. Mal blicken wir Richter-typisch wie durch milchiges Glas auf die Mutter und ihr Baby, mal ist die Mutter dicht bermalt, unter dem Farbauftrag nur noch als bunte Fläche sichtbar.
Anders ist das bei den grossformatigen Gemälden der vielteiligen Zyklen «Bach» (1992) oder «Wald» (2005). Diese sich im Duktus ähnelnden Werke malt Richter gleichzeitig. Er malt erst an einem, dann am andern, sie entwickeln sich gemeinsam weiter und öffnen nebeneinander hängend einen Bedeutungsraum, der über das Einzelwerk hinausgeht.
Raum für Emotionen
Diesen Serien und Zyklen setzt Obrist, der die Ausstellung in enger Zusammenarbeit mit Gerhard Richter realisiert hat, einzelne Werke Richters gegenüber. Einige davon sind bereits Ikonen der zeitgenössischen Malerei, zum Beispiel «Eisberg im Nebel« (1982) oder «Ella» (2007).
Diese bilden Kontrapunkte zu den monumentalen, grossformatigen Bildern, die in den Räumen der Fondation Beyeler zwar grossartig, aber auch etwas einschüchternd wirken. Die kleineren, fotorealistischen Bilder wirken fast stärker, fordern emotionalen Raum als Fläche. Und diesen Raum ist man zu geben bereit.
Richters Werke lösen etwas aus, die Betrachterin empfindet Zuneigung, Beklemmung, Scham. Vielleicht ist es das, was die grossen Künstler ausmacht. Dass wir ihren Werken die Bereitschaft entgegenbringen, in unserem Inneren darauf zu reagieren.