Zum Inhalt springen

Kunst Lokal, national, global, biennal: 55. Biennale Venedig eröffnet

Wieviel Sinn macht die Frage nach kultureller Identität im Bezug auf eine Kunst, die sich globalisiert? Auf der 55. Biennale in Venedig gibt es umwerfende Antworten - und auch viele Fragen.

In Zeiten der Globalisierung ist es immer wieder interessant, Kunst zu beobachten, die ja ihrerseits die Welt beobachtet. Wie verhält sie sich? Bildet sie noch national ab? Auf der diesjährigen Biennale in Venedig findet man die unterschiedlichsten Perspektiven und die Kombination dieser Unterschiedlichkeiten macht einen grossen Teil des Reizes für die Besucher aus.

Goldener Löwe für Angola

Box aufklappen Box zuklappen

Der Golden Löwe für den besten Pavillon geht 2013 an Angola.

Zum besten Künstler der Schau gewählt wurde der Deutsch-Brite Tino Sehgal.

Mit dem silbernen Löwen für den vielversprechendsten jungen Künstler wurde die Französin Camille Henrot ausgezeichnet.

Die nationalstaatliche Perspektive, repräsentiert in den  «Giardini», den Pavillons der Biennale, erscheint noch immer interessant. Die Fragen nach der nationalen Identität werden nach wie vor gestellt, mit unterschiedlichem Zugang und Ergebnis: Hintersinniges, Humorvolles und Ironisches ist da zu sehen, auch Spielerisches, Experimentelles bis hin zum Symbol.

Nationalitäts-Diskussion ad absurdum

So haben Deutschland und Frankreich die Pavillons getauscht, das heisst: die Deutschen sind bei den Franzosen zu Gast und umgekehrt. Und beide setzen noch einen drauf, denn die Auswahl der Künstler und deren Besetzung ist Programm:

Anri Salas, ein Künstler mit albanischen Wurzeln stellt für Frankreich im deutschen Pavillon aus. Er zeigt eine Video-Installation über Maurice Ravel. Im französischen Pavillon stellt Ai Weiwei für die Deutschen aus. Sie haben vier Künstler eingeladen, den Pavillon zu bespielen, die alle keinen deutschen Pass besitzen.

Links zum Thema

So wird die Frage nach der Nationalität förmlich ad absurdum geführt. Wer sich da noch länger fragt, «Was sehe ich hier?», «Hat Kunst überhaupt eine Nationalität und falls ja - welche?», dem wird schwindlig werden, so sehr haben die Macher für Grenzüberschreitung gesorgt.

Newcomer - von Angola bis Vatikan

Dennoch: Die Frage nach der kulturellen Identität war und ist immer wieder zentrales Thema. Das gilt auch für viele Länder, die zum ersten Mal an der Biennale sind. Das beginnt beim Vatikan, bei einigen arabischen Staaten und reicht bis zum Kosovo und Angola. Länder mit zum Teil hochbrisanten politischen Situationen, die sich in der Kunst brechen.

Portrait
Legende: Massimiliano Gioni, der diesjährige und jüngste Kurator der Biennale. Keystone

Der enzyklopädische Palast

Massimiliano Gioni, der diesjährige und jüngste Kurator der Biennale, hat mit der 55. Ausgabe einen enzyklopädischen Palast kuratiert, in dem sämtliche Errungenschaften des menschlichen Erfinder-, Forscher- und Künstlergeistes repräsentiert sein sollten. Ein Raum, in dem sich Weltwissen versammelt. Nicht nur Kunst sondern ebenso Recherche und Forschung. Ein mutiger Ansatz, wenn auch nicht wirklich geglückt.

So toll auch die Idee anmutet, «Big Shots» und «No names» zu kombinieren, Künstler, Tüftler, Bastler, Forscher in einen Raum zu holen - heute wirkt das eher als modisches Zitat der legendären «documenta 5», die Harald Szeemann kuratierte, der damals in der Tat neue Künstler und «Outsider» nach Kassel und später neue Kontinente an die «Biennale» holte.

Klotzen - nicht kleckern

Zu beobachten ist dieses Jahr auch, wie der Kunstbetrieb und die Kunstindustrie  auf der Biennale durchschlägt: die grossen Galerien sorgen bei ihren (grossen) Künstlern für ein anderes Standing nach der Devise: Klotzen - nicht kleckern!

Da fällt der Schweizer Pavillon fast durch seine Reduktion, seine Bescheidenheit, sein «Leisigkeit» auf. Valentin Carron, Skulpteur aus dem Wallis, hat den Pavillon mit einer zweiköpfigen Schlange aus einem Vierkantstahl durchzogen - sehr diskret. Manch einem mag das verloren vorkommen auf einer Biennale, auf der es viel zu sehen gibt, auf der man sich durchkämpfen muss durch die Sintflut der Angebote zu den künstlerischen Positionen, die sich im Kopf festsetzen, nachhallen, die stören und etwas zu sagen haben.

Die 55. Biennale wird einmal mehr den Eindruck nahe legen, dass Grenzen reine Konstruktion sind und in einer Welt, in der sie immer mehr verschwinden, vielleicht in den Köpfen am längsten weiter bestehen werden.

Meistgelesene Artikel