Eine moderne Mona Lisa? In New York ist gerade ein Warhol in aller Munde. Berühmt geworden ist diese lächelnde «Marilyn» auch deshalb, weil ihr eine Performancekünstlerin einst eine Kugel in den Kopf jagte.
Weniger bekannt ist: Das Bild, das zum teuersten je auktionierten Kunstwerk werden könnte, hing bis vor Kurzem in einer Villa in Zürich.
Neben der «Shot Sage Blue Marilyn» stehen bei Christie's weitere Hochkaräter zum Verkauf: etwa eine Vase von Alberto Giacometti, deren Wert sich auf 500'000 bis 700'000 Dollar belaufen soll.
Alle Werke gehören zur grossen Kunstsammlung der Schweizer Geschwister Thomas und Doris Ammann, die etwa 360 Millionen Dollar wert sein soll.
Kunstverkauf zum Wohl der Kinder
Der Erlös aus der Auktion soll «der Heilung und Förderung von Kindern zugutekommen», sagt Georg Frei. Der Stiftungspräsident war der langjährige Lebenspartner von Doris Ammann, die nach dem frühen Tod ihres Bruders die Sammlung übernahm.
Letztes Jahr verstarb auch sie. In ihrem Testament verfügte Ammann, dass die Sammlung aufgelöst und das damit gelöste Vermögen innerhalb von drei bis sechs Jahren für wohltätige Zwecke eingesetzt werden muss. Deshalb wird die Sammlung mir ihren über 100 Kunstwerken versteigert.
Die Muse mit der Minox
1950 am Bodensee geboren, mauserte sich Thomas Ammann zu einem weltweit bedeutenden Kunsthändler und Sammler, der mit Audrey Hepburn dinierte oder in Paris am Place de la Concorde residierte. Nebst einer Villa am Zürichberg besass er auch ein Chalet in Gstaad sowie ein Penthouse in der Upper East Side.
Als 18-Jähriger begann er in der Galerie Bruno Bischofberger zu arbeiten. So lernte er auch Andy Warhol kennen. Eine enge Freundschaft entwickelte sich. Ammann verkehrte in New York, streifte durch die Galerien der Stadt und tauchte in die Kunstszene ein.
Thomas Ammann soll für zahlreiche Schwarz-Weiss-Schnappschüsse des berühmten Pop Art-Künstlers mitverantwortlich sein. Schliesslich war er es, der ihm die 35-mm-Minox-Kamera schenkte, mit der Warhol Nachtleben und nackte Körper porträtierte.
Charme war sein Kapital
Mit 27 machte sich Ammann selbstständig und gründete die Galerie Thomas Ammann Fine Art. Das Startkapital für die Karriere bekam Ammann von seinem Freund Alexander Schmidheiny, dem jüngsten Spross der gleichnamigen Unternehmerfamilie. Mit ihm baute Ammann die Sammlung auf.
Ammann handelte mit der Kunst der Weltstars, etwa mit Bildern und Skulpturen von Chagall, Kandinsky, Miró, oder Picasso. Oftmals war er sowohl mit Künstlern als auch Käufern befreundet – und er war in der Szene bestens vernetzt.
Für seine Diskretion bekannt
Mit einer Mischung aus Fachkenntnissen, Charme und guten Looks schaffte es der Schweizer in die Topliga des Kunsthandels. Bereits mit Mitte 30 zählte er zu den weltweit wichtigsten Kunsthändlern.
Thomas Ammann konzentrierte sich auf Spitzenwerke des Impressionismus und der klassischen Moderne. Er galt als äusserst diskreter Kunsthändler. Deshalb ist so gut wie nichts darüber bekannt, welche Werke er an wen verkaufte. Der Öffentlichkeit sind nur jene bekannt, die von Museen erworben wurden.
1993 starb Thomas Ammann, vermutlich an eine Folgekrankheit von Aids, obwohl seine Familie damals der «New York Times» Krebs als Grund für sein frühzeitiges Ableben nannte. Er wurde nur 43 Jahre alt.