Die Corona-Variante Omikron führt dazu, dass erneut Kunstmessen abgesagt und verschoben werden. Trotzdem hat die Pandemie den Kunstmarkt insgesamt nicht geschwächt, im Gegenteil: Auktionshäuser wie Sotheby’s verzeichnen Rekordumsätze. Die Finanzmarkt- und Kunstmarktexpertin Monika Roth erklärt, woran das liegt.
SRF: Fast alle Branchen sind von der Pandemie betroffen. Der Kunsthandel dagegen floriert. Weshalb?
Monika Roth: Immer mehr Leute können sich den Kauf teurer Kunstwerke leisten, etwa in Asien, aber auch in anderen Staaten. In den letzten Jahren kamen zudem viele sehr teure Kunstwerke aufgrund von Scheidungen prominenter Personen und aus Nachlässen bedeutender Sammlungen auf den Markt.
Hinzu kommt, dass die Devisenmärkte überhitzt sind. Deswegen wird Geld statt in Devisen vermehrt in Kunstwerke investiert.
Auf dem Kunstmarkt sind zunehmend Personen anzutreffen, die nicht zum klassischen Publikum gehören.
Einzelne Werke erzielen Höchstpreise. Die Hamilton-Aphrodite etwa, eine antike römische Statue, stellte für eine Marmorskulptur aus dieser Epoche einen Weltrekord auf: Sie wurde für fast 25 Millionen US-Dollar verkauft. Wie erklären Sie sich eine solche Summe?
Bei einer Gruppe von Personen, die sich im Kunstmarkt betätigt, ist sehr viel Geld vorhanden. Diese Überliquidität spielt eine grosse Rolle. Zudem wiegen sich viele in der vermeintlichen Sicherheit, dass man mit Anlagen in Kunstobjekten generell finanziell nicht schlecht fährt.
Der Kunsthandel von Auktionshäusern fand 2021 weitgehend online statt. Der Umsatz war enorm: Innerhalb eines Jahres wurde zeitgenössische Kunst im Wert von 2,7 Milliarden US-Dollar versteigert. Was bedeutet das für die Galerien, die vor Corona noch einen grossen Teil ihres Umsatzes vor Ort an Kunstmessen gemacht haben?
Für die Galerien ist die Situation schwierig geworden. Das hatte sich jedoch schon vor der Pandemie abgezeichnet. Auf dem Kunstmarkt sind zunehmend Personen anzutreffen, die nicht zum klassischen Publikum gehören. Sie sind den Galerien kaum verbunden und gehen nicht an Vernissagen.
Diese Entwicklung könnte für die Galerien aber auch eine Chance sein. Dazu müssten sie es in Zukunft schaffen, auf eine Mischung von Online-Auftritten und Präsenzveranstaltungen zu setzen.
Der direkte Austausch zwischen Galerie und Kundschaft vor Ort ist in den letzten zwei Jahren weitgehend weggefallen. Das hat einen Nebeneffekt: Ohne Reisen und teure Transporte wird der Kunsthandel klimafreundlicher – ein Ziel, das sich die Branche selbst gesetzt hat. Sind Kunstmessen damit definitiv überholt?
Ich glaube nicht. Wenn die Pandemie vorüber ist und die Leute wieder leichter reisen und sich vermehrt sehen können, wird dieser Kontakt wieder ausgebaut werden. Ein Kunstwerk vor Ort zu diskutieren, ist ein ganz anderes Erlebnis, als es online zu betrachten. Das wird man suchen.