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Über die Ausstellung «begehrt. umsorgt. gemartert. Körperbilder im Mittelalter»
Aus Kultur-Aktualität vom 10.04.2024. Bild: Landesmuseum Zürich
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 27 Sekunden.

Landesmuseum Zürich Lust und Laster: Über den Körperkult im Mittelalter

Schon im Mittelalter gaben Menschen etwas darauf, attraktiv zu wirken. Was sie für modisch, schön und gesund hielten, zeigt eine aktuelle Schau über Körperbilder im Mittelalter.

«Der Körper fasziniert. Wir leben in einer Zeit, in der man den Körper verschönert, trainiert, optimiert. Wir wollen zeigen, wie das im Mittelalter war», sagt die Kunsthistorikerin und Kuratorin Christine Keller zur Ausstellung «begehrt. umsorgt. gemartert.» Die Schau bietet viele Anknüpfungspunkte, um einem breiten Publikum ein Stück Mittelalter näherzubringen.

Körper im Mittelalter: Ganz schön erotisch

Der Rundgang beginnt eingängig mit Darstellungen von modischen Trends am Hof: Edle Damen warten in wallendem Gewand, mit blass geschminktem Teint und goldenen Haaren auf ehrerbietende Ritter. Diese kreuzen bald auf, in engen Beinkleidern und mit einer Schamkapsel über dem Gemächt.

Kupferstich eines adeligen Paares
Legende: Anmutige und adlig: Dieses Paar spiegelt damalige Schönheitsideale. Er trägt ein enges Beinkleid mit Schamkapsel und lang gezogene Schnabelschuhe, sie die Zöpfchenfrisur der Unverheirateten und ein langes, hochgegürtetes Kleid. ALBERTINA, Wien

Sie tragen schwingende Duftkugeln mit sich gegen allfälligen Schweissgeruch. Sie werben um die begehrte Frau und bringen ihre Schnabelschuhe in Stellung. Das ist mehr als ein modisches Statement: «Wenn es auf Gemälden und Kupferstichen um Liebespaare geht, dann spielt der Schnabelschuh als erotisches Symbol mit», sagt Christine Keller.

Im Garten der Lust

Erotische Motive finden sich in vielen bildlichen Darstellungen. Da geht es humorvoll, aber auch derb zur Sache. Die christliche Moralkeule schwingt häufig mit: Eitelkeit galt als Laster, Wollust als Todsünde. Auf den Genuss im Garten der Lust folgen nicht selten Höllenquallen.

Das Begehren wurde variantenreich verhandelt. Ein attraktiver Körper machte auch im Mittelalter etwas her. Adlige hatten mit Perücken, Puder und Parfum bessere Karten, Bäuerinnen und Handwerker mühten sich mit dem Läusekamm ab.

Gemeinsam war ihnen jedoch der reinigende Genuss in der Wanne und ein geselliges Treffen in einem öffentlichen Badehaus. Dieses kam allerdings im 16. Jahrhundert als Hotspot der Syphilis in Verruf.

Ein Gemälde zeigt ein Becken, in und drum herum tummeln sich halbnacke und nackte Menschen
Legende: Im mittelalterlichen Heilbad vergnügen sich Jung und Alt und tauschen bei Speis, Trank und Musik Intimitäten aus. Klingt wunderbar, aber: Bäh, Bakterien! Hier fing man sich schnell eine Geschlechtskrankheit ein. Bad zu Leuk (?), Hans Bock d.Ä., um 1597. Kunstmuseum Basel

Bei heiklen Krankheiten wussten Mönche Rat. Sie übersetzten medizinische Erkenntnisse aus dem arabischen Raum ins Lateinische und gaben das Wissen an andere Klöster weiter.

Kranke wurden danach mit pflanzlichen Extrakten und unter einem guten Stern therapiert. Aderlass und Schröpftöpfe sorgten für das Gleichgewicht der Körpersäfte. Dies alles half bei Pest und Typhus oder einer schweren Geburt jedoch kaum: Frauen erlebten das 40. Altersjahr meist nicht.

Geheimnisvolle Wundervölker

Wie die Ausstellung eindrücklich zeigt, gingen die Vorstellungen von Körperlichkeit im Mittelalter über den einzelnen Körper hinaus. Man malte sich ganze Völker mit andersartigen Wesen aus.

Illustration. Von Sternzeichen umgeben stehen zwei nackte, geschlechtslose Figuren Rücken an Rücken.
Legende: Astrologie ist heute wieder ein Megatrend. Schon im Mittelalter glaubte man, das Wohlbefinden des Menschen stehe unter dem Einfluss der Sterne. Les Très Riches Heures du Duc de Berry, 1410–1485. Cliché RMN / Bibliothèque et Archives du Château de Chantilly

Diese hatten mal überdimensionierte Füsse, die vor Regen schützen, mal langgezogene Ohren, die in der Wüste Schatten spenden: Sogenannte «Wundervölker» beflügelten nicht nur die Fantasie, sondern wurden auf Weltkarten des 12. Jahrhunderts verortet, so Kuratorin Christine Keller: «Man schickte Handelsreisende und Pilger auf die Suche nach diesen Menschen. Aber selbstverständlich kam niemand mit Berichten von diesen Menschen zurück.»

Ob imaginiert, begehrt oder gemartert: Der Ausstellung im Landesmuseum gelingt eine vielfältige und überraschend leichtfüssige Schau darüber, wie Menschen im Mittelalter den Körper sahen.

Ausstellungshinweis

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Die Ausstellung «begehrt. umsorgt. gemartert. Körper im Mittelalter» im Landesmuseum Zürich ist noch bis zum 14. Juli 2024 zu sehen.

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Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 10.4.2023, 7:06 Uhr.

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