Wenn zwei sich streiten, freut sich für einmal nicht der Dritte. Sondern er –beziehungsweise sie – hilft als unparteiische Vermittlerin eine Lösung zu finden. So soll das bei der Kommission für NS-verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter funktionieren, die SP-Nationalrat Jon Pult in seiner Motion fordert.
Fast alle Länder besitzen eine solche Kommission, um möglichst breit abgestützte Lösungen für strittige Fälle zu finden. Und der strittigen Fälle gibt es einige – auch in der Schweiz.
Langwierigen Vermittlungsprozessen ein Ende setzen
Ein Beispiel ist das Hodler-Bild «Thunersee mit Stockhornkette». Es wurde vom Kunstmuseum St. Gallen bereits vor Jahren als NS-Raubkunst klassifiziert, aber noch immer nicht zurückgegeben. Warum? Das Bild gehört nicht dem Museum, es ist die Dauerleihgabe einer privaten Stiftung.
Die Erben der Stifter pochen auf gutgläubigen Erwerb, die Erben des jüdischen Sammlers Max Silberberg auf Restitution. Eine Patt-Situation, die das Museum seit Jahren moderiert.
Unabhängige Vermittler sollen Lösungen erarbeiten
Eine nationale Kommission könnte vielleicht weiterhelfen, so Samuel Reller, Provenienzforscher am Kunstmuseum St. Gallen: «Das Potential einer solchen Kommission liegt in der Vermittlung.» Streitparteien mit naturgemäss entgegengesetzten Positionen liessen sich durch unabhängige Dritte vielleicht doch zu einer Lösung bewegen.
Auch Nina Zimmer, Direktorin des Kunstmuseums Bern und des Zentrums Paul Klee begrüsst eine nationale Kommission und erhofft sich breit abgestützte Lösungen gerade bei schwierigen Ausgangslagen.
Klar ist für Nina Zimmer ausserdem: Auch Kunstverkäufe müssen Gegenstand der Kommission sein. «Eine einzelne Kategorie ‹Fluchtgut› aufzustellen, ergibt keinen Sinn.» Es gelte vielmehr genau zu definieren, unter welchen Umständen Verkäufe als NS-verfolgungsbedingter Entzug zu beurteilen seien.
Skepsis auf dem Kunstmarkt
Während sich die Museumsleute weitgehend einig sind, sehen Vertreter des Kunstmarkts andere Probleme. Eine Kommission sei sicher eine gute Idee, sie löse aber nicht das Hauptproblem, so Bernhard Bischoff vom «Verband Schweizer Auktionatoren».
Der Markt kämpft mit den häufig auftretenden Lücken in den Provenienzen von Werken, die zum Verkauf stehen. Diese Lücken machen die betroffenen Werke praktisch unverkäuflich: «Wir müssen beweisen, dass so ein Werk nicht Raubkunst ist», so Kunsthändler Bischoff. Diese Umkehr der Beweislast werde durch die Einführung der Kommission nicht angetastet.
Eine Kommission kann nicht alles lösen
Gerade Auktionshäuser haben in der Vergangenheit eine herausragende Rolle bei der Entdeckung neuer Fälle gespielt. Und Provenienzforschung ist auch hier zentral.
Wie allerdings gerechte Lösungen aussehen und ob sie sich finden lassen, wenn etwa nicht zu 100 Prozent sicher ist, dass jüdische Sammler ein bestimmtes Werk unter Zwang verkaufen mussten? Solche Fragen werden in der Schweiz weiterhin für Differenzen sorgen – mit oder ohne Kommission.