Der Bahnhof Lausanne ist eine einzige Baustelle. Noch bis 2030 werden die Métro erweitert, die Perrons für die heute 400 Meter langen IC-Züge angepasst. Es wird gehämmert, betoniert, Stromkabel sind in Bögen über den Strassen verlegt.
Auch neben dem Bahnhof, auf dem Gelände der füheren SBB-Werkhallen, ist in den vergangenen Jahren viel gebaut worden: Die «Plateforme 10», ein Museumsquartier als zehntes Perron des Bahnhofs.
Die Schuhschachtel und der Kristall
Die beiden Häuser sind architektonisch völlig unterschiedlich. Das erste wird wegen seines langgezogenen und schmalen Entwurfs in Lausanne «Schuhschachtel» genannt. Es beherbergt das Musée Cantonal de Beaux-Arts (MCBA), das Waadtländer Kunstmuseum. Seit zweieinhalb Jahren ist es geöffnet, so gut es die Pandemie zuliess.
Das zweite nun fertiggestellte Haus ist viereckig und weiss, es wird einzig von einer eckigen Linie von Fenstern durchzogen. Sie gleicht der Kante eines Kristalls. In diesem zweiten Haus ist oben das Design-Museum Mudac zu Hause, unten das Fotomuseum Elysée.
So sieht das neue Museumsviertel aus
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Bild 1 von 6. Fassade des neuen Museums Mudac in Lausanne. Bildquelle: William Gammuto Sàrl.
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Bild 2 von 6. Das neue Design-Museum Mudac beim Lausanner Bahnhof. Bildquelle: Matthieu Gafsou.
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Bild 3 von 6. Besucherinnen und Besucher nehmen einen Augenschein im neuen Museum. Bildquelle: Cyril Zingaro, Gammuto Sàrl.
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Bild 4 von 6. Dieses neue Gebäude beheimatet das Design-Museum Mudac und das Foto-Museum Elysée. Bildquelle: Matthieu Gafsou.
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Bild 5 von 6. Das Kunstmuseum Musée Cantonal des Beaux-Arts – kurz: MCBA – hat schon früher eröffnet. Bildquelle: Nora Rupp.
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Bild 6 von 6. Design und Fotografie: Das neue Gebäude umfasst zwei Museen. Bildquelle: Matthieu Gafsou.
Zwischen den Museen gibt es Restaurants, erste Bäume sind gepflanzt. Das Quartier ist so gross wie fünf Fussballfelder. Ein solches Museumsquartier kennt man etwa aus Wien, für die Schweiz ist es aber einzigartig.
Und es markiert die hohen Ambitionen der Waadt, sich einen prominenteren Platz in der Kulturlandschaft zu verschaffen. Die «Plateforme 10» soll Besucherinnen und Besucher aus der Deutschschweiz, aber vor allem auch aus dem Ausland anziehen.
Drei Museen, ein Thema
Künstlerisch legt die Plateforme mit dem Thema «Train Zug Treno Tren» los, in Anlehnung an die Vergangenheit des Areals. Die drei Museen spielen dabei ihren Trumpf – die einzigartige Nähe – voll aus.
Ein Bild von Picasso hängt im Fotomuseum anstatt im Kunstmuseum. Skulpturen des gleichen Künstlers sind im Mudac und im MCBA zu sehen.
Blick ins Kunstmuseum MCBA
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Bild 1 von 3. Die Ausstellung zum Thema Zug im Kunstmuseum MCBA in Lausanne. Bildquelle: KEYSTONE/Jean-Christophe Bott.
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Bild 2 von 3. Edward Hopper: «Approaching a City», 1946 Öl auf Leinwand. Aus der Washington D.C, The Phillips Collection (Erwerb 1947). Bildquelle: Heirs of Josephine Hopper/2022 ProLitteris Zürich.
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Bild 3 von 3. Paul Delvaux: «Solitude», 1955. Öl auf Tafeln aus der Collection de la Fédération Wallonie-Bruxelles. Bildquelle: Paul Delvaux Foundation/2022 ProLitteris Zürich.
Besonders originell ging das Designmuseum Mudac die Eröffnungsausstellung an. Kurator Marco Costantini liess zuerst einen «Roman de gare» – auf Französisch der Ausdruck für einen Groschenroman – schreiben. Das 138-seitige Büchlein liest sich in einer Fahrt von Zürich nach Lausanne und beschreibt die imaginäre Stadt «Terre-des-Fins», die nur per Zug erreichbar ist.
Die Ausstellung ist wie eine Art Filmkulisse dieses Buches aufgebaut: Zugsignale sind zu sehen, eine Skulptur eines Zusammenstosses zweier Dampflokomotiven, Plakate, sogar ein Fahrplan ist aufgehängt worden.
Ausstellung im Design-Museum Mudac
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Bild 1 von 5. Das neu eröffnete Design-Museum Mudac in der neuen Lausanner Plateforme 10. Bildquelle: KEYSTONE/Jean-Christophe Bott.
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Bild 2 von 5. Eine manuelle Bahnhofsuhr zeigt die Abfahrt des Zuges (Datum unbekannt). Bildquelle: SBB-Archiv, Windisch. © SBB Historic, Benedikt Redmann.
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Bild 3 von 5. Aus Zugsutensilien wird Kunst: Rémi Perret: «Halte en Gare», 2019. Bildquelle: Lausanne, collection du mudac ©Maxime Huriez. Schenkung der SNCF.
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Bild 4 von 5. Kollision wird zur Bronze-Statue: Studio Job: «Train Crash Table», 2015. Bildquelle: ©Adrien Millot/Studio Job and Carpenters Workshop Gallery.
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Bild 5 von 5. Blick in die neue Ausstellung «Rencontrons-nous à la gare» im Mudac. Bildquelle: Olga Cafiero.
Ob das ambitionierte Museumsviertel die hohen Erwartungen langfristig erfüllen kann, wird aber zur Bewährungsprobe. Denn die Museen an sich gab es schon vor dem neuen Quartier, einfach auf andere Orte in der Stadt verteilt.
Jetzt müssen sie sich neu erfinden: «Inhaltlich könnte es interessanter werden, wenn die Museen diese Neueröffnung und Neuplatzierung auch inhaltlich neu positionieren und sich weiterentwickeln», sagt Pius Knüsel, ehemaliger Direktor der Kulturstiftung Pro Helvetia.
Die Eröffnung ist in dieser Hinsicht vielversprechend. In Zukunft werden die drei Museen aber ihren Weg zwischen Eigenständigkeit und Austausch über die Kunst-Sparten hinweg finden müssen.
Das ist im Fotomuseum Elysée zu sehen
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Bild 1 von 7. Besucherin im neu eröffneten Fotomuseum Elysée in Lausanne. Bildquelle: KEYSTONE/Jean-Christophe Bott.
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Bild 2 von 7. Tom Arndt: «Woman on the Train», Southside Chicago, 1995. Bildquelle: © Tom Arndt / Courtesy Les Douches La Galerie Paris.
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Bild 3 von 7. Olivia Bee: «Paris at Sunrise (Poppy)», 2013. Bildquelle: © Olivia Bee / Courtesy Galerie du Jour agnès b.
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Bild 4 von 7. Andrea Star Reese: «Chuck on the tracks near his home» von 2008 aus der Serie «The Urban Cave». Bildquelle: Collections Photo Elysée © 2008 Andrea Star Reese.
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Bild 5 von 7. Cyrus Cornut: District de Banan, Chongqing, Chine, 2017. Tirage Fine Art pigmenté, 80 x 100 cm. Bildquelle: Collection Florence & Damien Bachelot © Cyrus Cornut.
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Bild 6 von 7. Louis Sabattier: «Foule de voyageurs dans une gare» (ohne Jahresangabe). Bildquelle: © Paris Musées / Musée Carnavalet – Histoire de Paris.
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Bild 7 von 7. Lucien Aigner: «Le train va partir», Paris, 1934. Bildquelle: Collections Photo Elysée © Lucien Aigner.
Ganz an der Endstation ist das Museumsquartier auch mit der Eröffnung noch nicht angelangt. Im Gebäude des ehemaligen Stellwerks wird noch eine Art Kunsthalle mit Ateliers für Künstlerinnen und Künstler gebaut.
Und im Sommer gibt's ein Gastspiel aus dem Süden: Das Filmfestival von Locarno wird zu Besuch ins Museumsquartier kommen. Dann werden Filme auf die Museumswand projiziert. Das zeigt: In der Lausanner Kunst herrscht Aufbruchstimmung.