Ein Raketen-Staubsauger spricht, verrotzte Politikerköpfe werden zerfleischt, auf einem makaberen Wimmelbild sind neben flauschigem Küken auch die ernste Miene von Machthaber Putin zu finden. Zugegeben, das alles überfordert erst einmal.
Aber der Reihe nach: Wer Jim Shaw nicht kennt, ist nicht allein. Der 71-jährige Künstler wird auch als der «berühmteste Unbekannte der Gegenwartskunst» bezeichnet. Heute lebt und arbeitet er in Los Angeles, die Liste seiner Ausstellungen ist lang. Seit 2013 sind seine Werke fester Bestandteil der renommierten Gagosian Gallery.
Politik trifft Popkultur
Jim Shaw hat sich also seinen Platz erarbeitet. Mit Kunst, die sich mit der amerikanischen Popkultur, Politik und persönlichen Träumen auseinandersetzt.
Seine Werke sind durchzogen von Bildern, die uns fremd und dennoch vertraut erscheinen. Elemente der Popkultur werden in einen neuen, oft unheimlichen Kontext gestellt, der uns zwingt, sie mit anderen Augen zu sehen. Eine Trauminstallation etwa zeigt eine plappernde Trump-Perücke – surreal und doch irritierend real.
Shaws Bilder liefern provokative und teils plakative Kommentare, die die Absurdität der unfreiwillig komischen US-Politikszene offenbaren.
Um die Geschichte und den Ruf des Landes weiss Shaw Bescheid. Will er sie beschreiben, greift er zu popkulturellen Referenzen. «In gewisser Weise war George W. Bush für die Welt der ultimative Präsident, weil er den dummen Cowboy gespielt hat. Das ist so etwas wie die Comedy-Version von Amerika», sagt Shaw. «Trump kombiniert das irgendwie mit der Bösartigkeit, die weniger angenehm ist.»
Seine Kunst soll diesen Bildern mehr Reflexion entgegensetzen. Sie ist eine kritische Auseinandersetzung mit den Machtverhältnissen in den USA, aber auch der Macht der Popkultur.
Geister der Vergangenheit
«The Past is Never Dead. It’s Not Even Past» heisst Shaws Ausstellung in Biel, übersetzt: Die Vergangenheit ist nie tot. Sie ist nicht einmal Vergangenheit. Schon der Titel suggeriert, wie die Vergangenheit die Gegenwart durchdringt und alte Ideologien weiterhin ihren Einfluss ausüben.
Shaw, ein Meister des Grotesken und Bizarren, versteht es, die Geister der Vergangenheit in seinen Werken zu beschwören.
Die Kuratorin der Ausstellung, Anne-Claire Schmitz, weiss sie zu benennen: «In dieser Ausstellung fällt besonders auf, wie Shaws Werke von Gespenstern heimgesucht werden, die mit den ideologischen Säulen der amerikanischen Vorherrschaft verbunden sind», erklärt sie. «Diese Geister sind allgegenwärtig, ob es nun die weisse, die männliche oder auch die konsumistische Vorherrschaft ist, die Shaws Werke bevölkern.»
Amerikas surreale Bühne
Im Bieler Kunsthaus begegnet man einer Fülle an Skizzen, einigen Gemälden und einer Installation von Shaw, die alle eines gemeinsam haben: Sie sind reich an Symbolik und enthalten komplexe Allegorien.
Der in Michigan geborene Künstler hat sich der Aufgabe verschrieben, die düsteren Ecken der amerikanischen Kultur offenzulegen.
Was schlummert im amerikanischen Unterbewusstsein? Die Antwort von Shaws Werken: eine surreale Collage aus popkulturellen Symbolen und politischer Satire, die uns mit den verborgenen Ängsten und Widersprüchen der amerikanischen Gesellschaft konfrontiert – und uns dazu drängt, die dunklen Facetten der amerikanischen Kultur zu hinterfragen.