Ein Krokodil im Kirchenraum, Papst Johannes Paul II., der von einem Meteorit getroffen wird, oder ein betender Hitler: Der italienische Künstler Maurizio Cattelan liebt die Provokation. Ausgerechnet ihn engagiert die römisch-katholischen Kirche nun für ihren Pavillon an der Biennale in Venedig.
Es wäre aber nicht das erste Mal, dass der Künstler für oder in einer Kirche ausstellt. Vergangenes Jahr erst sorgte eine Krokodilskulptur von ihm in der Taufkapelle des Doms von Cremona für Aufsehen.
Mit diesen Kunstwerken sorgte Cattelan für Furore
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Bild 1 von 5Legende: Nicht alles, was vom Himmel kommt, ist heilig: Maurizio Catellans Skulptur zeigt Papst Johannes Paul II. in Seitenlage, Sekunden nachdem er von einem Meteoriten getroffen wurde. Sein Werk «Die neunte Stunde» (La Nona Ora) wurde bereits 2001 auf der Biennale in Venedig ausgestellt. IMAGO / TT
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Bild 2 von 5Legende: Die kniende Hitler-Skulptur «Him» (2002) wurde von einer Kuratorin des Museum of Modern Art als «verstörendste» Schöpfung Cattelans bezeichnet. Bei einer Auktion 2016 kam eine der drei Wachsfiguren allerdings für 17.2 Millionen Dollar unter den Hammer. FRANCE CATTELAN EXHIBITION
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Bild 3 von 5Legende: Verkehrte Welt: 2008 liess der Künstler eine verkehrt herum gekreuzigte Frau an der Pfarrkirche in Stommeln anbringen. Seine Installation war Teil des Projekts Synagoge Stommeln und thematisiert den Bankrott religiös begründeter ethischer Werte. EPA/ROLF VENNENBERND
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Bild 4 von 5Legende: Cattelas hängendes Krokodil (hier im Blenheim Palace in Woodstock) war bereits in einer Taufkapelle im Dom von Cremona zu sehen – mit der Schnauze in Richtung einer Heilig-Geist-Darstellung. Nicht alle Gläubigen waren darüber amüsiert. Getty Images/Leon Neal
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Bild 5 von 5Legende: Protzig auf dem Pott: Catellans 18-karätige und voll funktionstüchtige Toilette mit dem Titel «America» hat einen Wert von mehreren Millionen Dollar – das rief Diebe auf den Plan: 2019 wurde die Plastik aus dem Blenheim Palace im Vereinigten Königreich gestohlen und bleibt bis heute verschollen. AP Photo, File
Kirchliche Kunst im Knast
Wie der Vatikan am 11. März bekannt gab, umfasse Cattelans Arbeit «ein grosses Kunstwerk im Freien an der Fassade der Gefängniskapelle, das sowohl durch seine Grösse als auch durch seine emotionale Wirkung beeindruckt».
Cattelans Auftrag in Venedig besteht aus einer 12-minütigen Videoinstallation unter der Regie der Schauspielerin Zoe Saldaña und ihres Ehemanns, des italienischen Regisseurs und Produzenten Marco Perego. Das Werk schlage eine Brücke zur Strassenzeitung «L’Osservatore di Strada», an deren Biennale-Sonderausgabe sich die Insassinen des Frauengefängnisses beteiligen.
Zudem hat Papst Franziskus angekündigt, die Biennale und den Vatikan-Pavillon am 28. April zu besuchen. Damit wäre er der erste Papst auf der berühmten Kunstschau. «Die Zeit ist auch reif für den Papstbesuch», sagt SRF-Religionsexpertin Judith Wipfler. Die Biennale sei in den letzten Jahren aktivistischer geworden: Aktivismus für Klima, gegen kapitalistische Auswüchse. Und das passe wiederum gut zur Haltung von Franziskus.
Kirche will in der Kunst wieder mitmischen
Ist die Zusammenarbeit mit Cattelan womöglich ein Teil dieses Aktivismus? Jedenfalls sei die Kooperation mit einem so provokanten Künstler ein geschickter Schachzug seitens der Kirche, erklärt Wipfler: «Nachdem die Kirche über viele Jahrhunderte die wichtigste Kunststifterin gewesen ist, will sie von der modernen Kunstwelt wieder ernst genommen werden.»
Bis in die Moderne waren Kirche und Kunst untrennbar. Die Vatikanischen Museen sind eines der grössten und wichtigsten Kunstmuseen der Welt, auch für nicht-christliche Kunst. Doch die Sammlung endet mehr oder weniger in den 1970er-Jahren. Dieser Bruch kam mit dem Aufkommen der modernen Kunst.
Seit ein paar Jahren zeige die Kirche sich wieder progressiver, so Wipfler: «Papst Benedikt XVI, ein Schöngeist, ging 2001 erste Schritte auf zeitgenössische Künstler zu und lud sie in die Sixtinische Kapelle ein.» Jetzt Cattelan zu engagieren sei ein mutiger, aber auch logischer Schritt.
«Rebellische Kunst» ist nicht ganz neu
Die als prüde angesehene römisch-katholische Kirche sorgte jedoch auch früher schon für Aufsehen mit ihrer Kunst. «Oft war Nacktheit Stein päpstlichen Anstosses», sagt Wipfler.
Beispielweise die Ausmalung der Sixtinischen Kapelle durch Michelangelo, heute Höhepunkt des Rundgangs durch die Vatikanischen Museen. Michelangelos nackte Penisse wurden erst mehrere hundert Jahre später im Barock übermalt. Oder die antiken, nackten Statuen: Diese hätten spätmittelalterliche Päpste selbst begeistert gesammelt, besonders der Begründer der Vatikanischen Museen Julius II.. «Die sprichwörtlichen ‹Feigenblätter› wurden den griechisch-römischen Mannsbildern auch erst im Barock auf den Penis montiert», so Wipfler.