Sensible Reisebilder, berührende Alltagsaufnahme, faszinierende Landschaften in Schwarz-Weiss: Martine Franck ist der typische Fall einer Fotojournalistin, deren Bilder man kennt, aber deren Namen nicht.
Zwei Meister, ein Paar
Geläufiger als Martine Francks Name ist wohl vielen der Name ihres Ehemannes: Über 30 Jahre war sie mit dem 30 Jahre älteren Fotografen Henri Cartier-Bresson verheiratet.
Franck war Mitglied der weltberühmten Fotoagentur Magnum, die Cartier-Bresson mitbegründet hat. Zudem rief das Ehepaar 2003 die Fondation Henri Cartier-Bresson ins Leben, die ihren fotografischen Nachlass verwaltet.
Beim Reisen zur Fotografie gefunden
Bilder haben Martine Franck von klein auf begleitet. Ihre Eltern sammelten Kunst. Der Vater war Belgier, die Mutter halb Schottin, halb Schweizerin.
Aufgewachsen ist Martine Franck in England und in den USA. Sie wollte Museumskonservatorin werden und studierte Kunstgeschichte in Madrid und Paris. Dort lernte sie Ariane Mnouchkine kennen, die Gründerin des Theaterkollektivs Théâtre du Soleil.
1963 brachen die Freundinnen zu einer grossen Asienreise auf. Ein Cousin schenkte Martine Franck dafür einen Fotoapparat, eine Leica. Er trug ihr auf, damit ihre Reise festzuhalten.
«Zu Beginn wusste Martine Franck noch nicht, wie man mit einer Kamera umgeht», erzählt Kurator Marc Donnadieu. Ariane Mnouchkine brachte ihr das Fotografieren bei. Die Reise durch China wurde zum Auslöser für Martine Francks Fotoleidenschaft.
Das Andere festhalten
Auf dieser Reise fand sie auch ihr Hauptthema: Ihre Bestimmung sei «die Begegnung mit dem Anderen» gewesen, sagt Marc Donnadieu. Dieses Andere nimmt im Werk von Martine Franck zahlreiche Züge an. Es waren vor allem Begegnungen mit Menschen, die sie inspirierten.
Zurück in Paris wurde sie offizielle Fotografin des Théâtre du Soleil. Sie begann für grosse amerikanische Magazine wie Life oder Vogue zu fotografieren.
Gleichzeitig entwickelte sie Themen, die sie persönlich interessierten, erzählt Marc Donnadieu: Sie bildete immer wieder alte und arme Menschen ab. Oder den Buddhismus: Nach einer Begegnung mit dem Dalai Lama lebten Martine Franck und Henri Cartier-Bresson als Buddhisten.
Dem Moment zugewandt
Die Ausstellung in Lausanne zeigt Martine Franck als aufmerksame, zugewandte Beobachterin. Sie vereint stille Impressionen aus Asien und kuriose Alltagsmomente – wie einen Mann, der es sich inmitten einer wartenden Menge auf einem Stuhl vom Sperrmüll bequem gemacht hat.
Sie zeigt beengte Arbeitersiedlungen in England, Bewohnerinnen und Bewohner eines Altersheimes aber auch lyrische Landschaften in Schwarz-Weiss – immer spürbar ist dabei ein Blick für Details und die Offenheit für den Moment.