Wer momentan das Zürcher Museum Rietberg besucht, dem dürften die abgeschlagenen Buddha-Köpfe auffallen, die dort aus einer Vitrine auf die Besucher blicken.
«Buddha-Köpfe wurden im Westen als Symbol des Buddhismus gesammelt und als Kunstwerke betrachtet. In China selbst ist das keine Kunst. Bei uns aber gibt es die unter anderem aus der Antike stammende Tradition des Sammelns von Kopfskulpturen», erklärt Esther Tisa Francini, Provenienzforscherin am Museum Rietberg.
Die Provenienzforschung befasst sich mit der Suche nach der Herkunft und Geschichte von Kunstwerken und Kulturgütern. Das Museum Rietberg betreibt diese Forschung seit 2008.
Die Lebensgeschichte von Werken erzählen
Die von Francini mitkuratierte Ausstellung «Wege der Kunst» dreht sich um die Frage, woher die Kunstwerke aus der eigenen Museumssammlung genau stammen. In der Sammlung würden sich viele Geschichten verbergen, erklärt die Forscherin: «Geschichten des Sammelns, des Bedeutungswandels und des Kunstmarktes».
Dabei geht die Ausstellung der Lebensgeschichte einzelner Werke nach, der sogenannten Objektbiografie. Anstatt die Werke isoliert zu betrachten, zeigt man, wie sie gesammelt und gehandelt wurden.
Dargestellt wird das mit Archivalien, Dokumenten, Fotografien und Katalogen, die neben den Kunstwerken ausgestellt sind. Zugleich rücken auch die Sammlerinnen und Sammler in den Vordergrund. Beispielsweise die Schweizer Künstlerin und Forscherin Alice Boner, die in Indien viele Werke erstand.
Auch die Schwedin Nell Walden ist ein Thema. Sie musste ihre ethnografische Sammlung aus dem Berlin der NS-Zeit retten. Sowohl Walden wie Boner übergaben viele ihrer Objekte an Museen, einige auch an das Museum Rietberg.
Sich der eigenen Geschichte stellen
Dass das Museum Rietberg erst seit 14 Jahren eine Stelle für Provenienzforschung hat, obwohl das Haus bereits 1952 seine Tore öffnete, erklärt sich Francini mit dem Zeitenwandel: «Damals stand die Geschichte der Sammlung oder die der Institution ‹Museum› nicht so sehr im Fokus.»
In den letzten Jahrzehnten aber sei daraus ein wichtiges Anliegen der Wissenschaftscommunity geworden. Nun stelle man sich auch der eigenen Geschichte.
Proaktive Aufarbeitung
Unter den 400 Kunstwerken in der Ausstellung befinden sich auch Kunstwerke aus dem alten Königreich Benin im heutigen Nigeria – drei davon sind vermutlich Raubgut aus der Kolonialzeit. Das Museum Rietberg hätte noch nie einen Anspruch auf Rückgabe erhalten, stellt Francini klar. «Das heisst aber nicht, dass wir darauf warten.» Vielmehr stelle man selbst Forschungen an.
Deshalb gründete das Museum letztes Jahr zusammen mit sieben anderen Museen die Benin-Initiative-Schweiz. In dem vom Bundesamt für Kultur geförderten Projekt sind neben dem Museum Rietberg sieben weitere Museen vertreten. Es geht um rund hundert Objekte.
«Wir betreiben zusammen mit einer nigerianischen Historikerin Forschung», so Francini. «Die Ergebnisse werden gegen Ende des Jahres publiziert und einer nigerianischen Delegation übergeben.» Ob und wann es tatsächlich zu Rückgaben kommt, ist allerdings noch unklar.