Oliviero Toscani wurde mit seinen provokanten Werbefotos bekannt. Er war aber auch Fotograf des Lichts, der Farben und der Kreativität und seine Bilder haben Kunstcharakter.
Erinnern Sie sich etwa noch an das Bild einer Nonne und eines Pfarrers, die sich innig küssen? Oder an das blutverschmierte Baby, das noch an der Nabelschnur hängt? Alle diese Fotos stammten von Toscani, der sie als Werbung für Benetton-Kleider einsetzte. Er arbeitete aber nicht nur für das Modehaus Benetton, sondern auch für Modemagazine, etwa «Elle» und «Vogue».
In den 1980er- und 1990er-Jahren avancierte er damit zu einem der bekanntesten, aber auch umstrittensten Fotografen und Werber überhaupt.
Fotos erinnern an Gemälde
Toscani griff in seiner Arbeit sehr ernste Themen auf: etwa Rassismus, Aids, die Todesstrafe oder Magersucht. Seine Fotos, gekonnt inszeniert, muten teils wie Gemälde an.
Zum Beispiel das Sterbebett mit dem ausgemergelten Aids-Kranken, liebevoll umarmt von einem Angehörigen. Oder immer wieder Menschen mit schwarzer und weisser Haut, die sich umarmen oder lieben.
Keine Frage: Oliviero Toscani hatte eine Botschaft. Und der in Zürich ausgebildete Fotograf transportierte sie gekonnt. Nur blieb da immer dieser Beigeschmack: auf den Fotos, die als farbige, riesige Plakate ein Millionen-Publikum erreichten, prangte stets das Firmen-Logo des italienischen Modehauses Benetton.
Seine Mission: Missstände anprangern
Das trug ihm Kritik ein. Viele störten sich daran, dass der Fotograf sehr ernste, soziale Themen für kommerzielle Zwecke verwendete, manche sagten gar: ausnutzte. Toscani habe die Sensibilität von Betroffenen missachtet.
Mit seinen Schock-Fotografien rüttelte er auf: Er sprach Unsagbares klar, ungeschminkt und vor grossem Publikum an. «Wenn Kunst nicht provoziert, macht sie keinen Sinn. Ein Künstler muss Interesse provozieren, Denken, Wut», sagte er 2024 gegenüber SRF.
In Zürich ausgebildet
Toscani kam 1942 in Mailand als Sohn eines bekannten Fotografen zur Welt. In seiner langen Karriere gab er der Werbung wichtige Impulse. Er hat seinem langjährigen Auftraggeber und dessen bunten Kleidern zu enormer Aufmerksamkeit und zu guten Gewinnen verholfen. Gewisse Themen, die er aufgriff, waren allerdings schon in den 1980er- und 1990er-Jahren abgedroschen. Zum Beispiel der Priester, der eine Nonne küsst.
Toscani sagte einmal, er nutze die Werbung für Mode, um auf soziale Probleme aufmerksam zu machen. Er sah sich als Aufklärer. Der blieb er bis zuletzt. Als er selbst an der seltenen, unheilbaren Krankheit Amyloidose erkrankte, wechselte er die Rolle. Nun liess er sich fotografieren: abgemagert und ausgemergelt in einem Lehnstuhl sitzend.