Es ist der grösste Kunstdiebstahl der italienischen Nachkriegsgeschichte: 1969 klauten Diebe aus einem Palermitaner Oratorium ein rund 280 mal 200 cm grosses Gemälde des Renaissancemalers Caravaggio. Seitdem ist das Meisterwerk aus dem Jahr 1600 spurlos verschwunden.
Jetzt gibt es neue Indizien und Hinweise: Diese haben dazu geführt, dass die Staatsanwaltschaft Palermo den Fall Caravaggio erneut aufrollen will – mit einem Prozess, der endlich Licht in das Dunkel dieses Kunstdiebstahls bringen soll.
Kunst gegen Geld für Drogen
Fakt ist: Im Herbst 1969 wurde das Gemälde aus seinem Rahmen geschnitten. Unklar ist, wo es sich befindet, ob es noch existiert und wenn ja, in welchem Zustand es ist.
Klar zu sein scheint jetzt aufgrund neuer Ermittlungsergebnisse, dass das Caravaggio-Gemälde «Geburt Christi mit den Heiligen Laurentius und Franziskus» höchstwahrscheinlich von Drogenabhängigen gestohlen wurde. Die sollen es Mafiosi zum Kauf angeboten haben, um sich weiterhin mit Drogen versorgen zu können.
Neue Aussagen ehemaliger Mafiosi
Italiens Kunstschutzpolizei – eine weltweit einmalige Organisation, die gestohlener Kunst nachspürt – ist überzeugt: Das Caravaggio-Gemälde wurde nicht gestohlen, um es direkt ins Ausland zu verschachern.
Neue Aussagen ehemaliger Mafiosi, die seit kurzem mit der Justiz zusammenarbeiten, deuten darauf hin: Die Geschichte der «Geburt Christi» scheint komplizierter zu sein.
So gilt es jetzt als sicher, dass einer der Täter der ehemalige Drogenabhängige Guido De Santis war. Dieser betreibt heute im sizilianischen Trapani ein Spielwarengeschäft. Neuen Aussagen reuiger Mafioso zufolge habe De Santis zusammen mit zwei Kumpanen das Gemälde gestohlen und zwei Cosa-Nostra-Bossen zum Kauf angeboten
Eine geheimnisvolle Frau
Doch welcher Boss schliesslich zuschlug, ist unklar. Die neuen Ermittlungsergebnisse weisen darauf hin, dass das komplette oder zerteilte Gemälde illegal auf dem Schweizer Kunstmarkt verkauft worden sein könnte.
In diesem Zusammenhang ist die Rede von einer geheimnisvollen Frau, die in der Schweiz Kunstdiebe und Käufer von Raubkunst zusammenbrachte. Namen sind noch keine bekannt. Doch im italienischen Kulturministerium und bei der Kunstschutzpolizei gilt es als offenes Geheimnis, dass die Schweiz nach wie vor eine zentrale Rolle beim Verkauf italienischer Raubkunst spielt.
Clevere Kunstdiebe, zu wenig Geld
Dass beim gestohlenen Caravaggio Drogenabhängige im Spiel sind, ist eher ungewöhnlich. Die meiste italienische Raubkunst wird gezielt von so genannten «tombaroli» entfernt. Sie arbeiten allein oder im Auftrag italienischer und ausländischer Kunsthändler oder Sammler.
Der italienische Staat ist gegenüber der finanziell und technologisch immer besser ausgerüsteten Kunstdiebstahlsmafia ziemlich machtlos. Solange die Regierung die Finanzmittel des Ministeriums zum Schutz von Kunstgütern nicht deutlich erhöht, wird sich an dieser Situation nicht viel ändern. Sehr zur Freude international operierender Kunstdiebe.