- Romane wie «Die Blechtrommel» und die Danziger Trilogie machten Günter Grass zu einem der wichtigsten deutschen Schriftstellern überhaupt.
- Deutschland war nicht nur Thema seiner Romane. Grass mischte sich auch ins politische Geschehen ein – und provozierte oft.
- Heute würde Grass 90. Der Schriftsteller ist vor zweieinhalb Jahren verstorben.
Die kleine Trommel ist sein Emblem. Die Trommel aus Blech, die den frühen, ganz grossen Ruhm bringt und Jahrzehnte später auch den Nobelpreis. Er war der Repräsentant der deutschen Literatur, und er wollte es sein.
Günter Grass mangelte es nicht an Selbstbewusstsein, weder als Schriftsteller noch als politisch wirkender Intellektueller. Er war beides. Und das aus Überzeugung.
Günter Grass' Leben in Bildern
Munterschwarze Fabeln
Oskar Matzerath ist Grass' Leitfigur, der kleinwüchsige Trommler, der Glas zersingt und heftig gegen das Kleinbürgertum und die Nazis revoltiert. Grass habe in «munterschwarzen Fabeln das vergessene Gesicht der Geschichte gezeichnet», meint das Nobelpreiskomitee. Die deutsche Geschichte wird Grass' Lebensthema.
1927 in Danzig geboren, erreicht er schon mit der Danziger Trilogie grosse literarische Erfolge, mit der Novelle «Katz und Maus» und dem zweiten Roman «Hundejahre». Mit Lyrik und Theaterstücken hat er begonnen, aber die erzählende Prosa begründet seinen Ruhm.
Der Bürger Grass
Widerstand ist Grass' Leitmotiv und Kritik auch an den Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland, die er als reaktionär erachtet.
Er engagiert sich im Wahlkampf für Willy Brandt und die SPD. Kein Radikaler, aber ein politischer Moralist, der mit seinen Büchern und öffentlichen Auftritten provoziert.
Als «Bürger Grass» sieht er sich selbst. Zum Aussenseiter taugt er nicht. Denn er ist früh Mitglied der «Gruppe 47» , begründet den «Verband deutscher Schriftsteller» (VS) mit und gehört bald zum literarischen Establishment der Bonner Republik .
Emile Zolas «J'accuse» steht ihm nah. Selbstverständlich ist ihm der Anspruch anzuklagen, Gehör zu finden bei Politik und Medien. Im Widerspruch wird er so über die Jahre und Jahrzehnte zum Repräsentanten eines veränderten Deutschland.
Ein politischer Schriftsteller
«Ilsebill salzte nach», der erste Satz aus dem Roman «Der Butt» wird 2007 zum schönsten ersten Satz der deutschsprachigen Literatur gewählt. Den Georg-Büchner-Preis hat er schon 1965 erhalten.
«Die Rättin» wird genauso verfilmt wie «Die Blechtrommel», die Volker Schlöndorff 1980 erfolgreich in die Kinos bringt.
Die deutsche Wiedervereinigung ist Thema in «Ein weites Feld», den Untergang eines Flüchtlingsschiffes auf der Ostsee behandelt Grass in der Novelle «Im Krebsgang» (2002).
Von Kritik und Publikum zwiespältig aufgenommen, lancieren seine Bücher politische Debatten und verstärken Grass' Bedeutung als öffentliche Instanz.
Scharfe Kritik für ein Gedicht
«Werden die Kinder schulfrei kriegen?» fragt der Kritiker Fritz J. Raddatz ironisch aus Anlass der Feiern zu Grass' 80. Geburtstag.
Seine Reputation nimmt erst Schaden, als Grass 2006 bekennt, dass er im Alter von 17 Jahren Mitglied der Waffen-SS war. Das späte Bekenntnis erschüttert Grass moralische Integrität, aber es zerstört sie nicht.
Noch einmal steht der Nobelpreisträger im Brennpunkt der Öffentlichkeit, als er im Gedicht «Was gesagt werden muss» die Politik Israels angreift. Die scharfe Kritik erntet international ebenso scharfen Widerspruch, politisch und in den Medien. Dabei bleibt es.
Man nannte ihn «Staatsdichter»
Als Schriftsteller fast verstummt, bleibt er seinen politischen Injektionen treu. Noch zuletzt forderte er von der deutschen Bundesregierung ein Eingreifen gegen das Flüchtlingselend und unterstützte den Appell deutscher Autoren gegen den Überwachungsstaat.
Die Gesamtausgabe seiner Werke umfasst beinahe 9000 Seiten. «Staatsdichter» hat man ihn genannt. Ein Asteroid trägt seinen Namen und eine Kieselalgenart.
Der Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass starb 2015, im Alter von 87 Jahren in Lübeck an einer Infektion.
Auf die Frage «Was soll auf Ihrem Grabstein stehen?» hat er geantwortet: «Mein Name. Mehr nicht.»
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 16.10.17, 7.20 Uhr