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«Air» Löst sich Christian Krachts neuer Roman in Luft auf?

«Air» sorgt bei Leserinnen wie Kritikern für Fragezeichen. Ist das Buch das literarische Rätsel des Jahres? Selbst die SRF-Literaturclubrunde ist überfragt.

Das Verschwinden ist bei Christian Kracht ein bewährtes Motiv. Auch in «Air» steht es im Mittelpunkt, als eine typische Kracht-Figur vom Erdboden verschluckt wird. So landet ein stilbewusster, der Moderne überdrüssiger Mann auf einem ganz anderen Planeten – und die Lesenden in einer Art Fantasy-Roman.

Teure Leere

Am Anfang findet man sich noch zurecht in der Kracht-Welt. Paul, ein Schweizer Inneneinrichter, ist besessen von exquisiten Oberflächen. Zurückgezogen hat er sich so weltabgewandt wie stilvoll auf den schottischen Orkneyinseln. Sein Auge für Farbe stellt er in den Dienst einer übersättigten Welt. Er verleiht Immobilien eine «Anima», mit «seladongrünen Wänden» und ungebleichten Schafwollteppichen.

Weisses Landhaus am Flussufer mit Hügeln im Hintergrund.
Legende: Hier findet Krachts neuer Roman seinen Anfang – auf den geheimnisvollen Orkneyinseln. IMAGO / imagebroker

Den Überdruss an einer übersättigten Welt zeichnet Kracht mit Humor: «Foraging»-Restaurants, die Paul für die Avantgarde des skandinavischen Designs einrichtet, zelebrieren Kargheit. Die Gäste geniessen handgesammelte Moose und «windgefaulten, übelriechenden Kabeljau».

Verloren in der Cloud

Paul erhält den Auftrag, ein «perfektes Weiss» für einen Datenspeicher in Norwegen zu finden. Hier materialisiert sich die «Cloud»: Ein gigantischer Raum, in dem «Trillionen Bilder vibrieren, eine so unvorstellbar grosse Menge an Geschichten, dass sie ein eigenes Universum darstellen». Als Paul den Raum durchmisst, verschwindet er spurlos.

Schwarz-Weiss-Foto einer Person auf einem Sessel vor einem Fenster.
Legende: Was für ein Autorenfoto! Christian Kracht sitzt in Dunkelheit gehüllt. Kracht entzieht sich Festlegungen und Deutungen – das ist schon im Umschlag zu erkennen. David Lieske

Der Designer taucht als «Der Fremde» in einer Fantasy-Landschaft wieder auf. Mit einem tapferen, klugen Mädchen namens Ildr zieht er durch eine mittelalterliche Welt, die aus Gut und Böse besteht.

In diesem harten, entbehrungsreichen Leben tauchen die kargen Dinge aus Pauls altem Dasein wieder auf: steinerne Krüge mit eiskaltem Wasser, der rohe Fisch, sogar Details aus Pauls Restaurant-Designs in einer mysteriösen Stadt. Das gemeinschaftliche Leben der dortigen Bewohner beschreibt der Roman als Idylle eines nordischen Naturvolkes.

Mann mit Bart, braunem Anzug und Rollkragenpullover.
Legende: Was wird aus den Daten, die unser heutiges Leben abbilden, wenn wir nicht mehr da sind? Christian Kracht touchiert an der Schlüsselstelle des Romans «Air» ein existenzielles Thema. IMAGO/TT

Worauf Kracht mit der Heldenreise von Paul hinaus will, ist das grosse Rätsel von «Air». Noch stärker als sonst fordert er Leserinnen und Kritiker damit heraus – denn dieses Märchen entzieht sich klaren Interpretationen und bietet Raum für vielfältige Lesarten. Das Rätselraten, das Kracht-Fans lieben, darf beginnen.

Viele Fragezeichen

Die aktuelle Runde im SRF-Literaturclub besteht aus Menschen, die Kracht schon lange begleiten. Doch auch hier herrscht Ratlosigkeit. Autorin Nina Kunz, langjähriger Kracht-Fan, erkennt in «Air» am ehesten «ein Buch über Männlichkeit und den Wunsch, in eine Welt einzutauchen, in der es Gut und Böse gibt und man etwas mit den Händen macht». Doch wirke die nihilistische Langeweile angesichts der aktuellen Weltlage etwas aus der Zeit gefallen.

Buchhinweis

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Christian Kracht: «Air». Kiepenheuer & Witsch, 2025.

Elke Heidenreich hat das Buch eher amüsiert gelesen. Sie findet Kracht immer faszinierend, auch wenn er scheitert. «Und hier scheitert er rasant», so die Kritikerin.

Am ehesten hat das Buch noch Theater- und Opernregisseur Thom Luz überzeugt. Er hat sich zwar erst so geärgert, dass er das Buch ein zweites Mal gelesen hat. Doch dann entdeckte er Hinweise, wie Krachts Fantasy-Welt konstruiert ist: «Es ist eine Jenseitsreise.»

Viel enthusiastischer ist die Jury des Preises der Leipziger Buchmesse, der Ende März verliehen wird. Sie hat «Air» schon vor Erscheinen als eines der besten Bücher dieses Jahres nominiert und findet das literarische Rätsel einfach «berauschend».

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