Das Altwyberhüsli in Solothurn sieht so aus, wie es heisst: Es ist ein geducktes, historisches Gebäude, das man über eine Holztreppe und eine Holzlaube betritt. Seit Kurzem bildet es das erste Mundart-Literaturarchiv der Schweiz.
Im Inneren befinden sich zwei Räume, die extra für das Archiv eingerichtet wurden. Im Salon kann man mit Blick ins Grüne lesen oder den Archivkatalog per Computer durchsuchen. Über eine steile Treppe erreicht man den Estrich. Dort befindet sich das eigentliche Archiv mit rund 2200 Büchern und einigen Tonträgern.
Zuständig für das Mundart-Literaturarchiv ist Martina Heer. Die Germanistin ist auch Vizepräsidentin des Vereins Mundartforum, dem das Archiv gehört. Zwei Vereinsmitglieder haben die Bücher über Jahre hinweg gesammelt. Bisher waren die Bände in einem Luftschutzbunker eingelagert. Nun werden sie erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Mundart in allen Facetten
Was in diesem Archiv zu finden ist, fasst Martina Heer so zusammen: «Es gibt Belletristik, viele Gedichtbände, aber auch linguistische Bücher. Eigentlich alles, was mit der Schweizer Mundart zu tun hat.»
Dabei sind die Bücher nach Kantonen geordnet: Unter Basel-Stadt finden sich etwa Klassiker wie Theobald Baerwart oder Blasius. Aber auch das ganz neue Kinderbuch «Sproochschatz», die Baseldeutsch-Grammatik und eine Dissertation darüber, wie sich der Stadt-Dialekt im späten 20. Jahrhundert gewandelt hat.
«Wir sammeln alles, was es gibt»
Die Mischung ist recht zufällig, gibt Heer zu, ist sie doch hauptsächlich durch Schenkungen zustande gekommen: «Es ist ein grosser Mix.» Die Sammlung sei nicht vollständig. Aber weil immer wieder Neuzugänge durch Schenkungen hinzukommen, wachse sie permanent.
«Wir sammeln alles, was es gibt», so die Vizepräsidentin. «Von gewissen Autoren und Autorinnen haben wir mehr Bücher im Archiv als von anderen.» Auch aus gewissen Regionen sei der Bestand grösser, womöglich, weil dort mehr erschienen sei.
Die Jungen kommen später
Das heisst: Bern und Zürich sind prominent vertreten, andere Gegenden haben noch Wachstumspotenzial. Die wichtigsten Klassiker der Mundartliteratur stehen jedoch bereits im Altwyberhüsli: von Rudolf von Tavel über Albert Bächtold bis Traugott Meyer.
Die jüngere Generation mit ihren unzähligen Publikationen aus den letzten Jahrzehnten ist hingegen fast gar nicht vertreten. Von den drei grossen Romanen von Pedro Lenz, «Der Goalie bin ig» etwa, findet sich im Archiv kein einziger. Das komme noch, meint Martina Heer. Gerne kann man dem Archiv auch selbst Bücher spenden.
200 Jahre Literaturgeschichte sichtbar machen
Der mittlerweile dienstälteste Schweizer Mundart-Autor ist dagegen schon jetzt mit mehreren Büchern vertreten: Ernst Burren. Er publiziert seit 1971 und gibt diesen Herbst einen neuen Gedichtband heraus. Bei der Eröffnung des Archivs am 18. Juni las der Solothurner vor Publikum.
Das Mundart-Literaturarchiv soll einmal die gesamte Literatur auf Schweizerdeutsch, also seit ihren Anfängen vor rund 200 Jahren, umfassen. Momentan scheint dieses Ziel noch gross und weit entfernt. Doch immerhin hat die Mundartliteratur mit dem neuen Archiv erstmal einen eigenen und zentralen Ort gefunden.