Michel Houellebecq liegt rauchend auf demselben Bett seiner Pariser Arbeitswohnung, in dem er sich beim Sex hat filmen lassen. «Ich habe mir gesagt: Das kann mir gut tun, wenn ich erzähle, was wirklich passiert ist», verrät der französische Autor mit Blick auf seine letzten Skandale.
In einer Zeitschrift hatte er behauptet, die «angestammten Franzosen» wollten, dass die Muslime damit aufhörten, sie zu «bestehlen», oder ansonsten wieder gingen.
Für diese islamophobe Äusserung entschuldigt sich Houellebecq im Buch und im Gespräch: «In Wirklichkeit sind Muslime natürlich nicht in besonderem Masse Diebe oder Kriminelle. Aber sie leben oft in denselben benachteiligten Vierteln.»
Schmeicheleien als Köder?
Vor allem geht es im Buch um Houellebecqs Teilnahme am pornographischen Film des niederländischen Künstlerkollektivs KIRAC, für den er mit jungen Frauen schlafen sollte.
Der Regisseur Stefan Ruitenbeek habe ihn durch falsche Schmeicheleien geködert, glaubt Houellebecq. Beim Dreh in Amsterdam kam es zu keinem Sex mit den Frauen. Autor und Regisseur überwarfen sich, es folgten Gerichtsprozesse.
Allerdings unterschrieben Houellebecq und seine Frau in Amsterdam wohl aus Unachtsamkeit einen rückwirkend geltenden Vertrag. So darf der Regisseur nun auch verwenden, was er schon zuvor in der Pariser Arbeitswohnung des Autors gefilmt und Houellebecq damals nicht freigegeben hatte: wie die Houellebecqs gemeinsam mit einer Freundin des Regisseurs, Jini van Rooijen, Sex hatten.
Relativierung der Vergewaltigung
«Bei dem Gedanken, diese Aufnahmen könnten gegen meinen Willen verbreitet werden», heisst es im Buch, «verspürte ich zum ersten Mal etwas, was mir den Schilderungen von Frauen zu ähneln schien, die Opfer einer Vergewaltigung wurden.» Damit relativiert Houellebecq Vergewaltigungen.
«Ich weiss, dass man mir das vorwerfen wird», sagt er im Gespräch. «Aber die Symptome ähneln sich nun mal.» So habe er sich vor Sex geekelt. Mittlerweile sei die Lust aber wieder da. Kein Vergleich also mit dem oft lebenslangen Trauma einer vergewaltigten Frau.
Houellebecq kreist um Houellebecq
Dem Autor mangelt es an Empathie. Hochsensibel ist er nur, wenn es um ihn selbst geht. Er habe sich beim Dreh «wie der Gegenstand einer Tierdokumentation» gefühlt, schreibt er, verteilt aber im Buch selbst beleidigende Tiernamen.
So nennt er Jini van Rooijen «Sau» und den Regisseur ganze 100 Mal «Kakerlak». Das ist widerlich und auch justiziabel. Justiziabel dürfte allerdings auch sein, dass der Regisseur seinerseits für seine Filme Menschen teils heimlich aufzeichnet, um sie dann gnadenlos blosszustellen.
Dieses Kollektiv verbreitet ein falsches Lob der Sexualität. Sex erscheint hier als etwas Schmutziges.
Houellebecq befürchtet also zurecht Schlimmes. Man muss vom Autor bestechender Gesellschaftssatiren wie «Unterwerfung» aber mehr erwarten als diesen rachsüchtigen, unwürdigen Text samt Details zu seinen Sexpraktiken.
Stärker als das Gefühl der Scham wegen der Porno-Geschichte sei nun seine «intellektuelle Eitelkeit», sagt Houellebecq. Denn er glaube, mit seinem Buch KIRAC durchschaut zu haben: «Dieses Kollektiv verbreitet ein falsches Lob der Sexualität. Sex erscheint hier als etwas Schmutziges.»
Diese dürftige Erkenntnis rechtfertigt allerdings nicht die Lektüre dieses enthemmten Buchs, das besser nie erschienen wäre.