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Verse von schnatternder Wucht?
Ihr findet sie hier:
Alle von mir!
«Mein Programm» nennt FW Bernstein dieses Kurzgedicht, das er an den Anfang seiner neuen Sammlung stellt. Ansonsten hat er keins. Denn gegen Programme wehrt sich der Lyriker. Weltverbesserung ist ihm ein Gräuel. Gesinnungslyrik sowieso. Ihm geht es darum, dass die Form stimmt. Der Reim, die Pointe, der Rhythmus. Ansonsten will er «den Sinn immer schön flach halten».
Komisch muss es sein
Das heisst aber nicht, dass er ein Nonsens-Dichter ist, wie oft behauptet wird. Morgensterns «Das grosse Lalula» mit seinem «Kroklokwafzi? Semememi!» ist ja auch nicht komisch. Und dass es komisch ist, ist das einzige, was ihm wirklich wichtig ist. In Wort und Bild.
Und jetzt also wieder das Wort. Seit 2004 kommt erstmals wieder ein Gedichtband vom grossen Gernhardt-Mitstreiter. «Frische Gedichte» heisst der Band und verhandelt Sinn- und Unsinnigkeiten wie Merkels Machtantritt, eine Kaninchenjagd im Hinterhof oder die vieldiskutierte «Froschwerdung»:
Am Anfang war – wie war das doch gleich?
Das Chaos? Das Wort? Die Nacht?
Nein, da war Laich!
Und dann?
Dann kam der Oberfrosch, und der
schuf Himmel und Pferde, Kaulquapp‘ und Meer.
Erzherzog Darwin, ein Gottessohn,
versuchte es dann mit der Evolution.
Die ging, wie wir wissen, daneben.
So entstand das Leben.
Weiter hinten im Band wird’s ernster. Da geht’s um Politisches und Historisches. Erinnerungen aus der Göppinger Kindheit oder an den Krieg. Dazwischen steckt die Lyrik und die Frage, wie man sie betreiben soll. Denn eines ist klar: Bernstein ist keiner, der weiss, wie’s geht. Und das macht ihn auch so gut. Bernstein arbeitet an der Qualität und hadert manchmal mit sich selber. Und so dichtet er dem Kritiker, respektive dem «Lyrikfreunde»:
So nimm denn, Freund, dir dieses Büchlein vor
und überprüfe Inhalt, Ton und Form.
Und wenn’s der Worte wert ist, dann besprich es
als etwas Gutes oder Wunderliches.
Dein Urteil sei die Pforte meines Ruhms
mein Niedergang, mein Absturz, mein Triumpf.
Leg an dein Mass und lass die Welt es wissen
ob dieses Zeug saugut, ob es beschissen.
Das ist wirklich saugut. In Inhalt, Ton und Form. Und spricht von langer Übung.
Gelegenheitlich Gedichte
Ursprünglich ist Bernstein Zeichner. Sein Zeichentalent zeigt sich schon in der Kindheit, als er die Holztafeln bemalt, mit denen in Kriegszeiten die Fenster abgedunkelt werden. Später studiert er Kunst in Stuttgart, wo er Robert Gernhardt kennenlernt. Mit ihm wechselt er nach Berlin an die HDK. Sie leben und malen zusammen. Und dann kommt auch das Dichten dazu.
Doch was bei Gernhardt bald schon Beruf wird, bleibt bei Bernstein eine Nebenbeschäftigung. Gedichte sind bei ihm immer nur Gelegenheitsgedichte. Für einen Geburtstag, eine Ehrung, einen Scherz. Es ist Gernhardt, der die Qualität erkennt und dafür sorgt, dass die Gedichte veröffentlicht werden. Bernstein bleibt ein Leben lang Zeichenlehrer und Kunsterzieher.
Grandiose Verse
Trotzdem gehört er von Anfang an zur «Neuen Frankfurter Schule». Als Gründer und wichtigste Stütze. Als Zeichner und Redakteur bei «Pardon» und der «Titanic» und als gelegentlicher Verfasser von grandiosen Versen wie der von der Weltmachtwachtel, die bis heute zum Besten gehört, was es an komischer deutscher Lyrik gibt. Vom Elch ganz zu schweigen. Der steht heute als Statue vor dem Frankfurter Cartoon-Museum.
Bernstein aber – in seiner sprichwörtlichen Bescheidenheit – weiss, woher seine Erfolge kommen. Und im Gedichtband schreibt er «Der Anpasser»:
Ich passe mich an die besten an
An die, wo man sich anpassen kann.
Da wird man richtig gut,
wenn man das tut.
Ein schöner Gedanke. Man sollte ihn sich zur Regel machen. Aber das wäre dann wieder Weltverbesserung mittels Lyrik. Und die ist ja nicht komisch.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 16.02.2016, 09.00 Uhr.