Am Ende des «Kontext»-Gesprächs mit Christian Maintz über komische Lyrik scheint alles gesagt. Sein Gedichtband «Liebe in Lokalen» ist besprochen, die Wurzeln der Verse bei Wilhelm Buschs balladesken Erzählgedichten definiert, die Schwerpunkte Liebe und Erotik gewürdigt und mit dem eher etwas zurückhaltenden und schüchternen Charakter des Dichters in Verbindung gebracht.
Auch die Vorbilder und Helden des Dichters sind genannt: neben Wilhelm Busch auch Christian Morgenstern, Ror Wolf, F. W. Bernstein und Peter Rühmkorf.
Und dann stelle ich meine letzte Frage: Wie sich das Buch denn so verkaufe. «Gut», sagt Christian Maintz, «sehr gut sogar». Die erste Auflage sei weg. Wie hoch die denn sei, will ich wissen. «3000 Exemplare», sagt er. Ich staune.
Christian Maintz gehört zu den erfolgreichsten und beliebtesten komischen deutschen Lyrikern, zählt zu den wenigen Nachfolgern des grossen Robert Gernhardts – und verkauft gerade mal 3000 Exemplare im ganzen deutschsprachigen Raum.
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Einmal im Jahr ein Lyrikband
Und dann erzählt mir Christian Maintz, wie es so läuft mit der komischen deutschen Lyrik. Kaum ein Verlag mache Lyrik. Und wenn, dann vielleicht einmal pro Jahr: «Da ist man als komischer Lyriker also alle paar Jahre mal dran.» Und sei man dann dran gewesen, müsse man sich einen neuen Verlag suchen, weil sich die Lyrik nicht verkaufe.
Dabei gibt es eine grossartige Tradition der komischen Lyrik. Wilhelm Busch zum Beispiel, dessen Bücher über hundert Jahre lang in deutschen Bücherregalen gestanden haben.
Kurt Tucholsky und Erich Kästner, deren Verse und Lieder seit den 1920er-Jahren feste Grössen im Kanon der deutschen Lyrik gewesen sind. Und Robert Gernhardt natürlich mit seiner formalen Meisterschaft, dessen Texte mittlerweile in den Schulbüchern stehen.
Komik erfordert Kenntnisse
Ich stelle meine wirklich letzte Frage und will wissen, warum komische Lyrik heute trotz dieser Tradition so schlecht ankomme. «Es ist ein Generationenbruch im Gange», sagt Maintz. Junge Leute hätten oft den Background nicht mehr, um einen Gernhardt überhaupt zu verstehen.
Um die Sonett-Beschimpfung lustig zu finden, müsse man wissen, was ein Sonett ist. Um eine Heine- oder Eichendorff-Persiflage lustig zu finden, müsse man den Sound eines Heines oder Eichendorffs wenigstens einmal gehört haben.
Gemaule im Klassenzimmer
Und diese Entwicklung ginge immer schneller. Habe ein Wilhelm Busch noch hundert Jahre gehalten, werde ein Robert Gernhardt vielleicht noch fünfzig Jahre überdauern: «Ich kenne Lehrer, die ihren Klassen Gernhardt präsentierten, um dann von diesen mit Gemaule und Gestöhne bedacht zu werden.»
Und er kenne Studenten, die Film studieren und Chaplin nicht kennen. Das sei traurig. Doch der Lauf der Dinge. Insofern seien 3000 verkaufte Exemplare eine Sensation.
Den Live-Auftritten gehört die Zukunft
Wo er sich unter diesen Voraussetzungen denn in zehn Jahren sehe, stelle ich nun meine definitiv letzte Frage. Am selben Ort wie heute, sagt Christian Maintz. Dichtend und lesend. Weil dichten und lesen das sei, was er tun wolle und was ihm Freude bereite.
Dann kommt er noch auf die Lesungen zu sprechen, die er früher mit Harry Rowohlt und heute mit Barbara Auer, Nina Petri oder Peter Lohmann macht: «Die funktionieren immer noch.»
Die Leute liebten es nach wie vor, in Gruppen wohin zu gehen und sich dort gemeinsam auf geistreiche und humorvolle Weise unterhalten und überraschen zu lassen. Das werde auch so bleiben. Und darum habe sein Metier auch immer eine Zukunft.