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Indische Autorin im Porträt Booker-Preisträgerin Geetanjali Shree: Feminismus auf Hindi

2022 gewann Geetanjali Shree als erste indische Autorin den renommierten International Booker Prize. Sie schreibt nicht für den Markt – und zeigt, wie Feminismus auf Hindi geht.

Hindi ist – nach Chinesisch und Englisch – die meistgesprochene Sprache der Welt. Etwa 600 Millionen Menschen in Indien sprechen es, für 370 Millionen ist es ihre Muttersprache. Auch für die indische Schriftstellerin Geetanjali Shree.

Hindi statt Englisch

Angesichts der weiten Verbreitung von Hindi mag es absurd erscheinen, dennoch wird Shree immer wieder gefragt, warum sie auf Hindi schreibe – und nicht «einfach» auf Englisch, so wie ihre bekannten Schriftstellerkollegen Salman Rushdie und Arundhati Roy.

Eine Frau mit langem Schal sitzt auf einer Bühne und hält ein Mikro in der Hand. Sie lächelt.
Legende: Gegen den Trend schreibt Geetanjali Shree nicht auf Englisch, sondern auf Hindi. Die Schriftstellerin hat so den International Booker Prize 2022 gewonnen. IMAGO / Pacific Press Agency

Der englischsprachige Buchmarkt wird international am meisten beobachtet. Und: Es gibt deutlich mehr Übersetzerinnen und Übersetzer aus dem Englischen als Hindi. Trotzdem verfasst Shree ihre Texte auf Hindi. Wirtschaftliches Kalkül ist ihr beim Schreiben fremd.

Sprache des Herzens

«Eine Schriftstellerin schreibt in der Sprache, in der sie schreiben kann. Egal, ob das eine viel oder wenig gesprochene, eine einflussreiche oder unbekannte Sprache ist», sagt Shree gegenüber SRF. «Hindi ist die Sprache, die mir am nächsten ist. Zur ihr spüre ich eine regelrecht körperliche Verbindung.»

Sprachen in Indien

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Englisch ist in Indien Amts- und Bildungssprache. Zu den 22 offiziell in der Verfassung genannten Landessprachen zählt es aber nicht. Dazu gehören u.a. Bengali, Hindi, Sanskrit, Tamil, Urdu oder Panjabi und Kashmiri. Die Zahl der in Indien gesprochenen Dialekte wird auf 20'000 geschätzt.

In der «Sprache des Herzens» zu schreiben, hat sich als goldrichtig erwiesen: Im vergangenen Jahr erhielt Shree für ihren Roman «Ret Samadhi» den International Booker Prize, und damit einen der weltweit wichtigsten Literaturpreise. Es war das erste Mal, dass ein auf Hindi verfasster Text prämiert wurde.

Den Preis teilt sich Shree mit ihrer Übersetzerin Daisy Rockwell, die «Ret Samadhi» ins Englische übertragen hat. Titel des Buchs: «Tomb of Sand», zu Deutsch etwa «Sandgrab». Eine deutsche Fassung liegt noch nicht vor.

Zwei Mitt-Fünzigerinnen in festlichem Gewand halten jeweils eine Trophäe in die Kameras.
Legende: Geetanjali Shree (re.) und Übersetzerin Daisy Rockwell 2022 bei der Preisverleihung des International Booker Preises in London. Getty / Shane Anthony Sinclair

In dem gefeierten – und vielschichtigen – Roman geht es um eine 80-jährige Frau, die nach dem Tod ihres Mannes beginnt, über ihre Vergangenheit nachzudenken. Nicht zuletzt über ihre Rolle als Mutter, in der ständig von ihr verlangt wurde, sich aufzuopfern. Die Frau wagt dann, trotz ihres hohen Alters, einen Neuanfang.

«Eine der 100 inspirierendsten Frauen der Welt»

Das ist Shrees grosses Thema: das Leben von Frauen in Indien. Geetanjali Shree kann man getrost als Feministin bezeichnen. Die britische BBC listete sie jüngst als eine der «100 einflussreichsten und inspirierendsten Frauen der Welt».

Geetanjali Shrees Werk

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Fünf Romane und mehrere Erzählbände hat Geetanjali Shree geschrieben.

Auf Deutsch ist von ihr der Roman «Mai» im Unionsverlag erschienen, übersetzt von Reinhold Schein. Ausserdem sind im Draupadi-Verlag der Roman «Unsere Stadt in jenem Jahr» und der Erzählband «Weisser Hibiskus» erhältlich.

Das Buch, für den Shree 2022 den International Booker Prize erhielt, heisst im Original «Ret Samadhi». Eine deutsche Fassung liegt bislang noch nicht vor. Auf Englisch, übersetzt von Daisy Rockwell, ist es unter dem Titel «Tomb of Sand» vom Verlag Tilted Axis Press verlegt worden.

Shree prangert die Ausbeutung von Frauen, die Diskriminierung und die hohe Vergewaltigungsrate in Indien an. Aber sie sagt auch: « Weltweit herrschen patriarchale Strukturen vor, nicht nur in Indien. Der globale Westen macht es sich mitunter sehr leicht, wenn er von oben herab auf vermeintlich rückständige Länder schaut. Damit lenkt er nur von den eigenen Problemen ab.»

Wichtig sei, dass sich die Frauen überall auf der Welt zusammentun, um für Gerechtigkeit zu kämpfen.

Direkt, pathetisch, feministisch

In ihren öffentlichen Statements ist Geetanjali Shree sehr direkt, mitunter pathetisch. In ihren Erzählungen kommt der Feminismus zarter und leiser daher. In ihrem Debütroman «Mai» etwa geht es um eine Frau, die zwar augenscheinlich unfrei lebt. Im Nachhinein stellt sich jedoch heraus, dass sich diese Frau zeitlebens viele Schlupflöcher aus der Unterdrückung gesucht hat.

«Solche Geschichten will ich erzählen», sagt Geetanjali Shree, «Geschichten über Frauen, die Grenzen verschieben oder sprengen.» Sie wolle den Blickwinkel nicht auf die Unterdrückung von Frauen legen – sondern auf die Befreiung.

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Radio SRF 2 Kultur, Künste im Gespräch, 12.10.2023, 9:03 Uhr

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