Liv Strömquist: «Astrologie»
Astrologie boomt, vor allem in den sozialen Medien, denn sie schenkt (scheinbare) Sicherheit in unsicheren und unübersichtlichen Zeiten. Mit ihrem neuen Comic knöpft sich die schwedische Comic-Zeichnerin, eine Ikone des Feminismus, unsere Sternzeichen vor.
Auf sehr humorvoll-bissige Weise nimmt sie die jeweiligen Zuschreibungen auf die Schippe, ohne sie zu sehr ins Lächerliche zu ziehen. Was mich betrifft zum Beispiel so: «Schützen sind unglaublich open-minded Outside-The-Box-Denker*innen – ausser, wenn es um deine Vorschläge geht.» Dazu enthält das Buch eine Erklärung von Theodor W. Adorno, warum Menschen sich überhaupt für Horoskope interessieren.
Herbert Clyde Lewis: «Gentleman über Bord»
«Nichts ist komischer als das Unglück», sagte der irische Schriftsteller Samuel Beckett einst. Bei dieser literarischen Neuentdeckung aus dem Jahr 1937 vermischen sich Tragik und Komik auf unvergleichliche Art.
Ein Börsenmakler aus New York fällt eines Morgens durch ein dummes Missgeschick von einem grossen Passagierschiff in den Pazifik. Zuerst glaubt er noch, bald gerettet zu werden, doch bald schon kippen Hoffnung und Zuversicht in Ergebenheit, Angst und Verlassenheit.
Lakonisch und humorvoll zugleich schildert Lewis, wie bei dem aus dem Leben gefallenen Gentleman im Meer alle Gewissheiten wegbrechen und wie zeitgleich das Leben auf dem Passagierschiff weitergeht, als wäre nichts gewesen. Nun endlich in der Übersetzung von Klaus Bonn auch auf Deutsch zu lesen.
Bonnie Garmus: «Eine Frage der Chemie»
Kalifornien, Anfang der 1960er-Jahre: Elizabeth Zott ist eine brillante Chemikerin, aber sie hat beruflich keine Chance, und das nur, weil sie eine Frau ist. Und alleinerziehende Mutter noch dazu. In ihrer Not nimmt sie ein Angebot als Fernsehköchin an und tauscht den Laborkittel gegen die Kochschürze.
Jeden Abend um sechs präsentiert sie den Hausfrauen der Nation ihre Rezepte – und hat unerwartet einen Riesenerfolg mit ihrer Show: weil sie als Chemikerin ganz anders ans Kochen herangeht und weil sie die Frauen in ihrem Hausfrauen-Dasein ernst nimmt und ihnen ihr Selbstbewusstsein zurückgibt.
Zott äussert sich sogar politisch – ein kleiner Skandal. Ihre Devise lautet: «Kochen ist Chemie. Und Chemie ist Leben. Ihre Fähigkeit, alles zu ändern, beginnt hier.» Das Buch ist ein Pageturner, der mit trocken-ironischem Humor von der Misogynie in einer Männerwelt und von der Selbstermächtigung einer Feministin «avant la lettre» erzählt.
Weitere Buchempfehlungen von Nicola Steiner
- Der Inselroman «Kruso» und die Berliner Wendegeschichte «Stern 111» des Georg-Büchner-Preisträgers 2023 Lutz Seiler
- Das Buch «Lügnerin» von Ayelet Gundar-Goshen über eine Eisverkäuferin in Tel Aviv, die durch ein Missverständnis die Augen der ganzen Stadt auf sich zieht
- Der Polit-Thriller «Breaking News» von Frank Schätzing über zwei Familien, die Ende der 1920er-Jahre nach Palästina auswandern