Im Oktober 1973 starb Ingeborg Bachmann unter skandalumwitterten Umständen an Brandverletzungen in Rom. Vier Leseempfehlungen zum 50. Todestag des literarischen Ausnahmetalents.
Ihr schönstes Gedicht
Ingeborg Bachmanns Gedichte sind ausnahmslos schön. Wie «Prag Jänner 1964». Es erzählt vom Ende einer Krise. Bachmann spielt auf die vernichtende Trennung von Max Frisch an.
Neben Persönlichem schwingt aber auch Politisches mit: Der Prager Frühling lag in der Luft. Und ganz allgemein beschwört das Gedicht Transformation.
An einem frühen Januarmorgen in Prag blickt das Ich, dem es endlich etwas besser geht («gebückt noch, blinzelnd») aus dem Fenster.
Es sieht, wie Schneeschaufler Eisscherben kehren. Plötzlich tritt Flusswasser zum Vorschein: «Unter den berstenden Blöcken | meines, auch meines Flusses | kam das befreite Wasser hervor. | Zu hören bis zum Ural.»
Ihr famoser Roman
Ingeborg Bachmann konnte nur einen Roman zu Lebzeiten veröffentlichen: «Malina» (1971). Er erzählt von einer Frau zwischen zwei Männern und den Verheerungen durch die Geschlechterverhältnisse.
Trotz der Verrisse durch namhafte Kritiker und Autoren wurde «Malina» ein Bestseller. Lange wurde das Buch als Anklageschrift gegen Max Frisch gelesen. Der letzte Satz: «Es war Mord.»
Nicht zu vergessen aber, dass Bachmann eine unglaublich lockere und witzige Erzählerin war. Die Telefonate zwischen den Liebenden zum Beispiel sind reiner Slapstick. Unterschiedliche Erwartungen prallen gnadenlos aufeinander.
Das macht den Roman immer noch so lesenswert. Ganz abgesehen davon, dass man sich die Frage nach dem Platz der Frau in der Gesellschaft auch heute noch stellen kann.
Ihr bekanntestes Hörspiel
Eine junge Frau und ein junger Mann verlieben sich. Sie steigen in den siebten Himmel beziehungsweise ins 57. Stockwerk eines New Yorker Hochhauses. Dort vergessen sie die Welt. Bis der junge Mann aus dem Liebesrausch erwacht und in die Realität hinabsteigt. «Als wäre nichts geschehen?», ruft ihm die junge Frau hinterher.
«Der gute Gott von Manhattan» (1957) ist eine psychologisch-soziologische Studie, halb Science-Fiction. Ein selbsternannter Gott will die Liebe mit Todesstrafe belegen. Weil sie Gesellschaft, Politik und Wirtschaft sabotiere.
Er schickt seine fiesen Eichhörnchen los, um die beiden Liebenden kaputt zu machen. So ganz gelingt es nicht. Zumindest versucht das Paar «eine Revolte gegen das Ende der Liebe in jedem Augenblick und bis zum Ende.»
Das neueste Buch über sie
Heinz Bachmann beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit Werk und Nachlass seiner Schwester. Trotzdem erzählt er in seinem ersten Buch über Ingeborg Bachmann nichts, was man nicht schon wüsste.
Er liebt seine Schwester viel zu sehr, um in den Chor des Klatsches einzustimmen. Er erlaubt sich höchstens die eine oder andere Spitze gegen Max Frisch: «Für mich blieb er immer Herr Frisch, niemals Max. Ganz allgemein fehlte es an Herzlichkeit.»
Das berührende Buch des Bruders feiert aber gerade Herzlichkeit und Zusammenhalt. Es erzählt von Zeitgeschichte, dem familiären Umfeld, vom Werdegang der Literatin und gleich zu Beginn von ihrem Tod.
Heinz Bachmann durfte die Brandverletzte nicht sehen. Nur über ein Telefon im Römer Krankenhaus konnte er mit ihr sprechen: «So sehr ich mich bemühte, es kam keine Antwort.»