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Zum Kinostart von «Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste»
Aus Kultur-Aktualität vom 25.10.2023. Bild: Wolfgang Ennenbach
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 48 Sekunden.

Neu im Kino Wie Ingeborg Bachmann Max Frisch in die Wüste schickte

In «Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste» bekommt der Schweizer Schriftsteller sein Fett weg. Das ist schlau gemacht – und hat Schalk.

Als letztes Jahr der Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch publiziert wurde, meinten manche, ihre Beziehung müsse völlig neu betrachtet werden. Frisch sei rehabilitiert. Schnell kam der Verdacht auf, Margarethe von Trottas Film «Ingeborg Bachmann: Reise in die Wüste», lange vor der Publikation der Briefe konzipiert und abgedreht, sei bereits vor der Premiere überholt.

Diese Vorstellung mutete schon damals eher absurd an. Denn von Trotta hatte weder ein Biopic noch einen Dokumentarfilm in Aussicht gestellt.

Nach diesem Film ist klar: Max Frisch ist kein Monster. Allenfalls ist er der Biedermann, als den ihn Bachmanns Komponistenfreund Hans Werner Henze im Film bezeichnet. Ganz eindeutig ist er ein eifersüchtiger, unsicherer, traditionellen Rollenbildern verhafteter Mann.

Eine Welt von gestern

«Ich sehe, mein Mädchen hat das Geschirr abgewaschen», erklärt Frisch Bachmann einmal, als er von einem Spaziergang zurückkommt. «Das hättest du auch tun können», entgegnet sie. Schon läuft ein Streit ab, der heute karikierend anmutete, wäre es von Trotta nicht gelungen, ihre Szenen in einer vergangenen Zeit zu verankern.

Eine junge Frau sitzt neben einem Mann, der Pfeife raucht.
Legende: Ein Glamour-Paar, bei dem oft die Fetzen fliegen: Max Frisch (Ronald Zehrfeld) und Ingeborg Bachmann (Vicky Krieps) im neuen Film von Margarethe von Trotta. Wolfgang Ennenbach

Es gehört zu den vielen Stärken dieses Films, dass sein Look nicht kostümhaft historisierend wirkt, obwohl die Ausstattung detailgetreu ausgefallen ist. Von Trotta umgeht die Gefahr des Kostümschinkens unter anderem dadurch, dass einzelne Szenen und Bilder ins Licht und die Farben der Filme vergangener Zeiten getaucht werden.

So wirkt die Begegnung von Frisch und Bachmann auf einer Pariser Brücke wie ein Ausschnitt aus einem Melodram von Douglas Sirk, in schönstem Technicolor und dramatischer Ausleuchtung. Denselben Kniff wendet von Trotta auch auf Dialogebene an.

Eine junge Frau sitzt an einem Schreibtisch.
Legende: Frisch nennt Bachmann auch mal «Mädchen», und auch sonst wird in «Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste» viel Geschirr zerschlagen – vorwiegend ausserhalb des Arbeitszimmers. Anna Krieps

Einmal erzählt Bachmann Freund Henze von der Pariser Begegnung und fragt sich, warum sie den Drang verspürt habe, Apollinaire zu zitieren. Henze fragt ironisch zurück, ob sie sich gerade auf einer Brücke in Paris befunden hätten.

Die Mühen eines Mannes

Überhaupt hat dieser Film, in dessen Haupthandlung Ingeborg Bachmann mit Adolf Opel zur Erholung von der Trennung von Frisch die Wüste bereist, einen immer wieder überraschenden Schalk.

Ein Mann und eine Frau am offenen Fenster.
Legende: Aber so haben Frisch und Bachmann doch gar nicht ausgesehen? Zu den vielen Stärken des Films gehört, dass er immer auf seine eigene Inszenierung verweist – und in gewisser Weise stets den Blick von Ingeborg Bachmann im Auge hat. Anna Krieps

Klar ist es schmerzlich, dabei zusehen, wie Frisch in Eifersucht kleinlich wird, wie er Mühe hat mit dem Star-Status seiner Frau in der literarischen Welt, und wie er rationalisiert und banalisiert. Aber der Film macht ihn damit nicht zum Monster. Er ist einfach ein zuweilen überforderter Mann.

Ronald Zehrfeld mit seiner massigen Grösse ist weit von der untersetzten Statur des echten Max Frisch entfernt. Doch gerade seine Massigkeit hilft mit, den Aussenblick in einen anderen zu verwandeln, einen, der dem Blick Bachmanns vielleicht sogar näher ist.

Vicky Krieps als Ingeborg Bachmann passt ebenso gut in diese Douglas-Sirk- und Lucchino-Visconti-Szenen mit goldenem Glamour-Licht. Schauspielerin wie Schauspieler sind hier «bigger than life». Der Film macht damit immer klar, dass sein Blick jener von Ingeborg Bachmann sein könnte.

Sogar in jener Szene, in der ein besoffener Frisch in die Römer Wohnung stolpert, am Sofa zusammensackt und «Goppfrdammi» murmelt. Margarethe von Trotta hat nicht die Geschichte dieser zwei Menschen neu geschrieben. Sie hat einen Film über künstlerische Souveränität und Abhängigkeiten gemacht, der tatsächlich packt.

Kinostart: 26. Oktober 2023

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Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 25.10.2023, 7:06 Uhr

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