Elisabeth Ruge, ich kann mir vorstellen, bei Ihnen ist die Hölle los.
Elisabeth Ruge: Es kommen sehr, sehr viele E-Mails, Anrufe und SMS. Auch auf Twitter und Facebook, wo wir sofort mitgeteilt haben, dass Swetlana Alexijewitsch den Literatur-Nobelpreis erhalten hat, bekommen wir viele Reaktionen.
Was bedeutet der Literatur-Nobelpreis für Sie und Ihren ehemaligen Verlag, Hanser Berlin?
Ich freue mich sehr mit meinen ehemaligen Kollegen über den Erfolg von Swetlana Alexijewitsch. Ich erinnere mich an einen Moment vor zwei Jahren, als wir alle zusammen mit Swetlana an der Frankfurter Buchmesse sassen und dachten, es könnte passieren. Heute, da es wirklich passiert ist, stehe ich in engem Kontakt mit all meinen Kollegen und freue mich wahnsinnig.
Swetlana Alexijewitsch wurde als eine der grossen Favoritinnen gehandelt. Waren Sie und der Verlag auf die Auszeichnung vorbereitet?
Ich wusste nicht, ob sie den Preis kriegen würde. Aber als damals vor zwei Jahren sogar ein Kamerateam aus Schweden angereist ist, haben wir natürlich äussert gespannt abgewartet. Swetlana wurde im Jahr 2013 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet und schon deswegen mit viel Aufmerksamkeit bedacht. Sie war schon damals im «Inner Circle» um den Literaturnobelpreis, deswegen war der Verlag schon gut vorbereitet.
Haben sie schon Kontakt zu Swetlana Alexijewitsch gehabt?
Ich habe sie bisher nicht angerufen, weil ich mir vorstellen kann, wie viele Menschen gerade mit ihr sprechen wollen. Ich habe vor 25 Jahren das erste Buch von ihr in Deutschland verlegt, das war «Zinkjungen», das Buch über den ersten Afghanistan-Krieg. Seit 25 Jahren sind wir miteinander verbunden. Und ich weiss, dass Swetlana weiss, wie grenzenlos meine Freude ist. Das werde ich dann in Ruhe mit ihr besprechen.
Sehen Sie die Vergabe des Literaturnobelpreises an Swetlana Alexijewitsch als ein politisches Statement der schwedischen Akademie?
Ich denke, es ist ein politisches Statement, ja. Man kann die aktuellen Entwicklungen ja nicht übersehen: den Einsatz Russlands in Syrien, aber auch Tendenzen in Russland selber, wie etwa die Einschränkung der Meinungsfreiheit und die vermehrte Zensur.
Es gibt gerade sehr viele Dinge in Russland, die uns an Zeiten erinnern, von denen wir dachten und hofften, dass sie vorüber sind. Da setzt sich wieder ein System mit totalitären Zügen fest. Die Vergabe des Literatur-Nobelpreises an Swetlana Alexijewitsch ist sicher ein Kommentar aus Stockholm dazu.