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Historische Geschichte für die Gegenwart: «Königskinder» von Alex Capus
Aus Kultur-Aktualität vom 22.08.2018. Bild: Imago/Science Photo Library
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Neuer Roman des Erfolgsautors Alex Capus hat die Gabe, richtig gut zu erzählen

Der König stirbt, die Kinder kommen zusammen: So könnte man Alex Capus neuen Roman «Königkinder» zusammenfassen. Einfach gestrickt ist die Geschichte aber nicht, sondern sorgfältig recherchiert und wunderbar erzählt.

Es ist ein grossartiger Stoff, den der Oltener Schriftsteller Alex Capus da entdeckt hat. Jakob, ein armer Kuhhirte aus dem Freiburgischen, lernt Marie, die Tochter eines reichen Bauern in Greyerz, kennen.

Es ist Liebe auf den ersten Blick. Beidseitig. Doch Maries Vater lässt die Liebe nicht zu. Zu arm sei dieser Kuhhirte. Zu unwürdig.

Buchhinweis

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Alex Capus: «Königskinder», Hanser 2018.

Der König stürzt, die Liebe überlebt

Acht Jahre später – nach langem Söldnerdienst in der französischen Armee und einem kurzen Aufenthalt am Hof von Versailles, als Insasse eines Vorzeigebauernhofs nach Rousseauschen Ideen, auf dem glückliche Menschen mit glücklichen Tieren zusammenleben – kommt Jakob dann doch noch mit seiner Marie zusammen.

Alex Capus porträtiert in Schwarzweiss, er blickt nach oben.
Legende: Alex Capus' neuer Roman ist soeben erschienen. Er dürfte wieder ein Erfolg werden. SRF/Lukas Mäder

Und das genau in dem Moment, in dem die alte Welt zusammenbricht. Als die Pariser Marktfrauen im Oktober 1789 nach Versailles ziehen, um den König zu zwingen, mit ihnen nach Paris zu kommen, steht der Käfig offen. Die Freiheit ist da. Die Liebe überlebt.

Passfahren gegen den Kitsch

Einmal mehr hat Alex Capus eine Geschichte ausgegraben, die tatsächlich passiert ist. Einmal mehr ist es ihm gelungen, einen Roman daraus zu machen. Der davon lebt, dass Capus richtig gut erzählen kann.

Weil die Geschichte dieser bedingungslosen Liebe zwischen Jakob und Marie den Hang zum Pathos hat, verpackt sie Capus geschickt in eine Rahmenhandlung.

So lässt er ein heutiges Paar den Jaunpass hinauffahren. Max, Capus’ Alter Ego, und seine Frau Tina. Dort wird das Paar eingeschneit. Weil es nun im dunkeln Auto sitzt und eine Nacht lang auf den Schneepflug warten muss, erzählt Max zum Zeitvertreib die Geschichte von Jakob und Marie.

Was wahr sein will, muss stimmen

Dieses Setting hat den entscheidenden Vorteil, dass Capus immer gleich eingreifen kann, wenn die Geschichte ins Kitschige oder Pathetische abdriftet. Ob es das nun wirklich braucht, sei dahingestellt. Ein bisschen Pathos schadet ja nicht – immerhin haben wir es mit einer über zweihundertjährigen Liebesgeschichte zu tun.

Tatsache ist aber, dass Capus so auch gleich noch eine Geschichte übers Geschichtenerzählen schreibt. Etwa indem er Max sagen lässt, dass es nicht entscheidend sei, ob eine Geschichte wahr ist oder nicht, sondern ob sie stimmt. Das scheint auch gleich der zentrale Satz für Capus’ Schaffen zu sein, denn Capus hat viele wahre Geschichten zum Stimmen gebracht.

Mehr als eine Liebesgeschichte

Die aktuelle Geschichte hat noch eine Dimension: die Historie. Denn der Umstand, dass die Geschichte vom armen Kuhhirten und der Bauerntochter vor dem Hintergrund der Französischen Revolution spielt, macht aus ihr eine Geschichte über einen Epochenwandel.

Alex Capus bei «Ansichten»

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Mehr zu Alex Capus in Text, Bild und Gespräch gibt's auf der SRF-Literaturplattform «Ansichten».

Über den Wandel von der feudalen Willkürherrschaft hin zu einer neuen Zeit, in der es auf einmal bürgerliche Rechte gibt. Etwa das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben, auch für eine Frau – und trotz väterlichem Einwand.

Gondeln durch die gute Geschichte

Das ist Capus’ Verdienst: Er hat das tiefere Potential der Geschichte erkannt und umgesetzt. Etwa, indem er Jakobs Geschichte mit der gleichzeitigen Erfindung des Heissluftballons verknüpft, der hier als Metapher für die neu erworbene Freiheit dient und immer wieder auftaucht. Oder vielmehr durch die Geschichte gondelt.

Alex Capus hat eine starke Geschichte zu einem starken Roman verarbeitet. Dabei hat ihm seine grösste Gabe ein weiteres Mal geholfen: Die Gabe, richtig gut erzählen zu können.

Schweizer Literatur

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ansichten.ch stellt Autorinnen und Autoren vor mit Porträts, Bildern und Zitaten.

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