Franz Hohler ist ganz offensichtlich ein begeisterter Reisender – insbesondere ein begeisterter Zugfahrer. Reisen ist das Leitmotiv seines neuen Buchs «Fahrplanmässiger Aufenthalt», ganz ohne Zweifel.
Das beginnt beim Titel, wird im Umschlagbild (Eisenbahnschienen und eine Art Wartehäuschen) fortgeführt – und in den meisten der Geschichten auch. Es geht um Reisen um die Welt, aber auch in die Vergangenheit.
Streifzüge des Erzählers
Wir folgen dem Erzähler in den kurzen Texten auf seinen Streifzügen: durch sein Quartier, durch die Schweiz, durch die ganze Welt. Er nimmt uns mit auf Lesereisen durch die deutsche Provinz, wir begleiten ihn auf Buchmessen, beim Gang zum Supermarkt um die Ecke oder beim Wandern in die Alpen.
Das Reisen ist für Franz Hohler weit mehr als purer Tourismus, auch wenn er keinen Hehl aus der Freude macht, die er beim Knipsen auf einer Fotosafari empfindet.
Politische Komponente
In vielen von Hohlers Geschichten hat Reisen auch eine politische Komponente. Dann nämlich, wenn Menschen nicht verreisen wollen, sondern müssen.
Das kann historisch sein, etwa wenn Hohler an Todesmärsche von einem Konzentrationslager in ein anderes erinnert, oder in der Gegenwart, wenn es um Flucht und Migration geht. Der Umgang unserer Gesellschaft mit Geflüchteten treibt Franz Hohler in seinen Texten immer wieder um.
Einmal lässt er auf einem idyllischen Schweizer Bergsee plötzlich ein Boot voller Geflüchteter erscheinen, ein andermal bezeichnet ein Gärtner Unkraut als faule «Asylbewerber» und stellt ihm ausgerechnet einen – in der Schweiz nicht heimischen – Cherrytomatenstrauch entgegen: «Wenigstens einer, der arbeitet.»
Plädoyer für mehr Menschlichkeit
Franz Hohler ist mit seinem Kabarett und seinen Büchern weit über die Schweiz hinaus zu Bekanntheit gekommen. Die Nähe zum Politischen hat er dabei nie gescheut, weder auf der Bühne noch beim Schreiben.
In «Fahrplanmässiger Aufenthalt» plädiert er grundsätzlich für mehr Menschlichkeit und Verständnis: für Fremde, für Ältere, für Andere. Das ist gerade in Zeiten der Krise lobenswert und wichtig. Gelegentlich geht das Politische allerdings ein wenig auf Kosten des Literarischen.
In manchen Texten wirkt es, als hätte Hohler den politischen Bezug einfach unbedingt auch noch explizit hineinpacken wollen. Da wäre weniger manchmal mehr gewesen.
Aufmerksamer Blick
Nichtsdestotrotz: Franz Hohler beweist in seinen Erzählungen einen aufmerksamen Blick fürs Detail, und er setzt sich in der hektischen Gegenwart für etwas Entschleunigung ein.
Seine Texte sind kurzweilig, humorvoll und lesen sich angenehm flüssig. Der routinierte Reisende beschert uns in seinen Geschichten einen staunenden, wachen Blick auf das Geschehen – und immer auch diese feine Prise Schalk, für die Franz Hohler berühmt und beliebt ist.