Seit seinem Welterfolg «Betty Blue» aus dem Jahr 1985 gilt Philippe Djian als Kultautor und Erbe der Beat-Generation. Doch sein Schreibstil und seine Themenwahl haben sich weiterentwickelt – vom Detailreichtum zum sprachlichen Minimalismus, von sportlich langen Sexbeschreibungen zu dichten Stimmungsbildern.
Noch immer im Zentrum von Djians Schaffens stehen das schwierige Verhältnis zwischen Mann und Frau sowie das Leben, das jederzeit ins Schicksalhafte kippen kann. Davon erzählt der Autor in meisterhaft natürlichen Dialogen, die nichts erklären wollen, sondern die Geschichte Schritt für Schritt entwickeln.
Vorgespult auf 2030
Djians neuster Roman «Ein heisses Jahr» spielt im Jahr 2030. Die globale Klimaerwärmung hat sich intensiviert. Es ist heiss, regnet kaum und wenn, dann kommt es zu heftigen Überschwemmungen.
Greg, um die 40, arbeitet in der Firma seines Schwagers, die Pestizide herstellt. Diese gerät in Verdacht, Berichte zu fälschen, um die Schädlichkeit bestimmter Pestizide zu vertuschen. Greg ist daran beteiligt. Dann stirbt ein Mensch und Greg verliebt sich in Vera, eine Umweltaktivistin, Buchhändlerin und Verlegerin. Das stellt sein Weltbild auf den Kopf.
Greg wird sich seiner Verantwortung für Mensch und Umwelt bewusst. Er beginnt sowohl seine Freundin als auch seine Nichte Lucie im Kampf für das Klima zu unterstützen. Deren Idol ist Greta Thunberg, die im Roman «das Mädchen mit den Zöpfen» genannt wird und inzwischen um die 30 ist.
Greta Thunberg kann es nicht richten
Eine tragende Rolle spielt Greta Thunberg im Roman nicht, ist aber wichtig für die Struktur. Lucie ist so etwas wie ihr Double – eine Projektion der echten Thunberg in der Fiktion. An einer Stelle des Romans stellt Lucie der Klimaaktivistin die Frage, ob ihre Bemühungen rückblickend etwas gebracht hätten. Eine Antwort darauf gibt Philippe Djian nicht.
Der Autor zieht keine Bilanz. Vielmehr zeigt er, wie hitzig die Klimadebatte geworden ist, ohne sie selbst anheizen zu wollen. Im Buch kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Klimaaktivisten, Sicherheitskräften, Schlägertrupps und Gegnern der Klimabewegung. Die fortwährende Konfrontation stimmt nachdenklich: Warum in aller Welt wird nicht an allen Fronten für ein besseres Klima gekämpft?
Ein Buch von grosser Traurigkeit
Philippe Djian geht es in «Ein heisses Jahr» um das Zwischenmenschliche: Der französische Schriftsteller verschränkt gekonnt die private Krise mit der globalen. Und zwar so, dass sich beim Lesen ein heftiges Gefühl von Ohnmacht und grosser Traurigkeit einstellt, die als symptomatisch für unsere Zeit gedeutet werden können.
Ein Podcast über Bücher und die Welten, die sie uns eröffnen. Alle zwei Wochen tauchen wir im Duo in eine Neuerscheinung ein, spüren Themen, Figuren und Sprache nach und folgen den Gedanken, welche die Lektüre auslöst. Dazu sprechen wir mit der Autorin oder dem Autor und holen zusätzliche Stimmen zu den Fragen ein, die uns beim Lesen umgetrieben haben. Lesen heisst entdecken. Mit den Hosts Franziska Hirsbrunner/Katja Schönherr, Jennifer Khakshouri/Michael Luisier und Felix Münger/Simon Leuthold. Mehr Infos: www.srf.ch/literatur Kontakt: literatur@srf.ch
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Greg liebt seine Umweltaktivistin. Doch Vera ist geschieden, eine Ehe kommt für sie nicht mehr infrage. Greg hat durch einen tragischen Unfall Frau und Sohn und allen Lebensmut verloren. Aus Angst, ihre Beziehung könnte scheitern, geben ihr Greg und Vera erst gar keine Chance. Sie glauben nicht daran, dass ihre Liebe funktionieren könnte.
Ihre Hoffnungslosigkeit ist das eigentliche Drama, welches sich vor dem Hintergrund einer ausweglosen Klimakrise zuspitzt. Philippe Djian erzählt davon unaufgeregt, die Spannung liegt in der Sache. Das Buch elektrisiert und macht betroffen.