Sie hatten Einblick in ein Gremium, von dem nur wenig an die Öffentlichkeit gelangt. Das Komitee, das jährlich den Literaturnobelpreis vergibt. Wie kann man sich dieses vorstellen?
Arne Dahl: Die Schwedische Akademie hat 18 Mitglieder. Sie bleiben ihr Leben lang dabei, können also nicht abgewählt werden. Innerhalb dieses gesamten Gremiums wird jeweils – für befristete Zeit – ein Nobel-Komitee ernannt. Eine Art Ausschuss von sechs Leuten, die dann für die Zusammensetzung der internen Shortlist zuständig ist.
Und wie kommt man zur Ehre einer Mitgliedschaft? Wird man gewählt oder kann man sich bewerben?
Man kann sich nicht bewerben. Man wird von den bestehenden Akademie-Mitgliedern berufen. Es sind Autoren – alle Arten von Autoren, manchmal Historiker, Literatur- oder Sprachwissenschaftler.
Frauen und Männer?
Ja. Früher war das ein Problem. Sehr lange gab es nur eine Frau in der Akademie: Selma Lagerlöf, die «Nils Holgersson» geschrieben hat. Heute ist es besser. Jetzt ist zum Beispiel die Person, die den Namen verkündet, eine Frau: die Literaturwissenschaftlerin Sara Danius. Aber es sind viele ältere Menschen in der Akademie.
Alle Türen sind geschlossen, darüber darf nicht gesprochen werden
Besteht bei lebenslanger Mitgliedschaft nicht die Gefahr einer gewissen Überalterung? Kommt da die junge Literatur überhaupt zum Zug?
Auch das ist besser geworden. Jetzt gibt es Leute in der Akademie, die jünger als 50 sind. Andererseits sind einzelne Mitglieder schon beinahe 90. Die haben vielleicht nicht den kompletten Überblick über die gegenwärtige Literatur. Aber es ist nicht die gegenwärtige Literatur, die in der Regel den Nobelpreis erhält. Es sind Lebenswerke. Vielleicht macht es also Sinn, dass die Mitglieder etwas älter sind.
Sind es nur schwedische Mitglieder?
Ja, man muss die schwedische Staatsbürgerschaft haben.
Wie funktioniert die Arbeit konkret? Trifft sich die Akademie regelmässig?
Die Akademie trifft sich jeden Donnerstag, um in einem Restaurant zu essen. Da finden eher informelle Diskussionen über mögliche Nobelpreisträger statt. Die Treffen des kleineren Gremiums, des Nobelkomitees, sind geheim. Da sind alle Türen geschlossen, darüber darf nicht gesprochen werden.
Die setzen sich also nicht nur im Herbst zusammen, wenn sie entscheiden müssen, sondern sind das ganze Jahr über im Austausch?
Ja, das sind sie. Vorschläge einbringen können übrigens auch alle bisherigen Gewinnerinnen und Gewinner von Literaturnobelpreisen und Literaturprofessorinnen und Präsidenten von Schriftstellerverbänden aus der ganzen Welt. Das Komitee sichtet die Nennungen und macht dann im Frühling – zuhanden der Akademie – eine Liste mit konkreten Namen, sodass sich alle Mitglieder noch genügend Zeit nehmen können, um sich seriös über die verschiedenen Werke ins Bild zu setzen. Wichtig sind natürlich auch die Kontakte zu Übersetzern, da einzelne Bücher nur im Original vorhanden sind.
Wissen Sie, wie abgestimmt wird? Geht es da nach der Mehrheit?
Darüber bin ich nicht informiert. Ich denke, es ist mehr wie ein Gespräch, in dem man versucht, einen Konsens zu finden.
Manchmal hat man versucht, Mitglieder zu kaufen. Aber das hat nicht funktioniert, glaube ich, hoffe ich.
Es heisst immer, es gäbe Favoritenlisten. Stimmt das?
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Es gibt eine Liste, aber die ist wirklich geheim. Es gab in den vergangenen Jahren Journalisten, die zu gute Vorschläge hatten – es muss ein Leck gegeben haben. Aber das ist nicht mehr so, glaube ich. Niemand hat wirklich Patrick Modiano vorausgesagt. Das war eine Überraschung.
Wird Lobbying betrieben? Haben Sie den Eindruck, es wird versucht, von aussen darauf Einfluss zu nehmen?
Es fahren auffallend viele Menschen von den unterschiedlichen Botschaften vor. Ja, es gibt Lobbyismus. Und manchmal hat man in der Geschichte versucht, Mitglieder zu kaufen. Aber das hat nicht funktioniert, glaube ich, hoffe ich. Man weiss nie.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 13.10.2016, 6.50 Uhr.