Wer ausser Peter von Matt konnte einen Artikel zum 250. Geburtstag Georg Christoph Lichtenbergs so beginnen: «Er war hässlich – mitten in dem Jahrhundert, das sich an den schönen Griechen berauschte. Der Apollo von Belvedere in Rom setzte damals das Mass. Er leuchtete weiss und nackt in das verzopfte Deutschland hinein, und die junge Intelligenz sah in ihm den Umriss des Menschen an sich.»
Wahrheiten und Diskurse hinterfragen
Was Peter von Matt da fand, verglich er mit dem Heute. Er betrachtete zum Beispiel, wie Lichtenberg in seinen «Sudelheften» unerbittlich Wahrheiten und Gefühlsdiktate hinterfragte. Es schien ihm mit Blick auf zeitgenössische Diskurse nach wie vor aktuell.
So meint er: «Wehe dem, der heute den Wahrheitsgehalt der spontanen Empfindung anzweifelt. Er wird von den Rechten wie von den Linken tief in die Waden gebissen. Denn beiden geht nichts über den moralischen Rausch: aus dem Nabel heraus spüren, dass man recht hat, und deshalb hassen dürfen wie die Säufer saufen.»
Inspirierende Vorlesungen
Peter von Matt, 1937 in Luzern geboren, studierte Germanistik, Anglistik und Kunstgeschichte in Zürich und Nottingham. Er promovierte beim damals tonangebenden Germanisten Emil Staiger über Franz Grillparzer. 1970 habilitierte er sich mit einer Arbeit über E. T. A. Hoffmann.
Von 1976 bis 2002 lehrt von Matt als Professor für Neuere Deutsche Literatur an der Universität Zürich. Generationen von Studentinnen und Studenten erinnern sich an inspirierende Vorlesungen: für Peter von Matt gab es keine Literatur, die nicht neu und überraschend gewesen wäre.
«Bester Schriftsteller der deutschsprachigen Schweiz»
Und dann wurde Peter von Matt Autor, gewann 2012 sogar den Schweizer Buchpreis. «Das Kalb vor der Gotthardpost» war das vierte Buch von Matts, das sich nicht nur an ein Fachpublikum richtete. Auch in seinem kommerziellen Erfolg stand es den früheren Büchern «Liebesverrat – Die Treulosen in der Literatur», «Verkommene Söhne, missratene Töchter. Familiendesaster in der Literatur» und «Die tintenblauen Eidgenossen. Über die literarische und politische Schweiz» in nichts nach.
Es sind anspruchsvolle, aber vergnügliche Bücher, geprägt von Peter von Matts Freude am kritischen Denken und seinem Humor. Es sind germanistisch-kulturkritische Essaysammlungen, die intellektuell und sprachlich so brillant sind, dass Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki den Germanisten von Matt zum «besten Schriftsteller der deutschsprachigen Schweiz» ernannte.
Nicht allen gefiel das, aber es trifft einen Punkt: Peter von Matt konnte in einer Weise lesen, denken und erzählen, dass selbst bei Altbekanntem neue Welten aufgingen. Seine Doppelbegabung als Germanist und Essayist paarte sich mit einer überbordenden Freude an der Sprache und einem leidenschaftlichen Interesse für das Leben – auch ausserhalb der Literatur.