Ein Wissenschafter in Berlin entwickelt ein neuartiges Herzmedikament. Er gibt es an eine Handvoll unheilbar Kranke ab. Die Pille schlägt ein und alle Patientinnen und Patienten fühlen sich wieder fit.
Was sowohl dem Professor als auch den ehemals Kranken erst allmählich dämmert: Die Pille hat sie um etwa zehn Jahre verjüngt – und dabei auch gleich die Herzkrankheit eliminiert.
Mit viel Sinn für Situationskomik schildert der Berliner Bestsellerautor Maxim Leo in seinem aktuellen Roman «Wir werden jung sein», wie die Erfindung das Leben der Betroffenen auf den Kopf stellt. Und schliesslich die ganze Welt aus den Fugen zu geraten droht.
Hilfe, ich werde jünger!
Es beginnt damit, dass einer der Herzkranken, ein 16-jähriger Teenager, endlich seine Angebetete ins Bett bringt. Aber – oh Schreck: Nichts läuft. Das Herz des Jungen pumpt zwar mit munterer Frische, aber es sitzt neuerdings in einem Primarschüler-Körper.
Eine Mittdreissigerin und ehemalige Olympia-Schwimmerin nimmt nach der Einnahme der Pille zusammen mit anderen Veteraninnen an einem Nostalgie-Wettkampf teil. Sie gewinnt und stellt gleich auch noch einen neuen Weltrekord auf – und gerät unter Doping-Verdacht.
Tiefgreifender Umbruch
«Wir werden jung sein» ist ein gut gemachter Unterhaltungsroman, der durch eine leichtfüssige Sprache besticht. Aber nicht nur: Maxim Leo gelingt es, am Beispiel seiner Figuren durchzuspielen, was die Folgen einer derartigen Zauberpille wären.
Und die wären einschneidend. Es wäre vorbei, mit dem Kinderkriegen: Wir würden zu viele. Und hätten die Menschen überhaupt die Kraft, ein unbegrenztes Leben mit Sinn zu füllen?
Das Ende wird bleiben. Aber man kann es schon bald stark hinausschieben.
Dennoch setzt im Roman eine Jagd nach der Zauberpille ein: Dunkle Mächte wollen sich ihr bemächtigen. Die Polizei, Regierungen, sogar die UNO schalten sich ein. Wie lässt sich verhindern, dass nur eine kleine Elite das Zauberelixier kriegt, während der ganze Rest im Jammertal der Sterblichkeit verharren muss?
Zweifelsohne bietet die Pille auch Vorteile: keine Todesangst und die Chance, Verpasstes nachzuholen. Fehlentscheidungen in Beruf oder Partnerschaft liessen sich locker korrigieren.
Dafür und Dawider
Das Medikament erweist sich im Roman als eine höchst ambivalente Sache – und wäre für die meisten von uns wohl die totale Überforderung. Dennoch bietet das geschilderte Szenario mehr als einen anregenden Zeitvertreib.
Denn es sei «in den Bereich des Realistischen gerückt», sagt Ferdinand von Meyenn. Er ist Professor für Epigenetik an der ETH Zürich und beschäftigt sich mit der Veränderung von Zellen im Laufe des Lebens.
Die Forschung in Laboratorien rund um den Globus habe in den letzten Jahren «das Tor zur Verjüngung aufgestossen». In experimentellen Modellen liesse sich das Alter von Zellen bereits zurückdrehen.
In den USA arbeiten mehrere Start-ups der Pharmabranche an Verjüngungsmedikamenten. Die Forschungsgelder fliessen im grossen Stil. Die Pille verspricht Profit.
Ums Ende kommen wir nicht herum
Trotzdem: Dass – wie in Maxim Leos Roman – der Tod dereinst abgeschafft wird, ist gemäss Ferdinand von Meyenn unwahrscheinlich. «Das Ende wird bleiben.» Aber man könne es wohl schon bald «stark hinausschieben».
Die Hoffnung der Wissenschaft: dass Menschen «bis zum Schluss des langen Lebens gesund sein» können. Und, nicht wie heute, «häufig einen Teil des Alters als Kranke verbringen» müssen.