Die Versprechen sind gross und kommen aus dem Munde von renommierten Forschern. «Next up: age reversal in humans», schrieb Harvard-Professor David Sinclair kürzlich in einem Tweet. Auch der spanische Forscher Juan Carlos Izpisúa Belmonte ist optimistisch. Gegenüber der Zeitung «El País» sagte er, er sei überzeugt, dass es in zwei Jahrzehnten möglich sein werde, durch Zellverjüngung Krankheiten und Altern zu verhindern.
Wegweisende Mäuse-Versuche
Die Forscher beziehen sich dabei auf einen neueren Ansatz der Altersforschung, ein Verfahren zur Zellverjüngung, das als Reprogramming bekannt ist.
Dabei werden ältere Körperzellen in ihren embryonalen Zustand zurückversetzt. Was wie Science Fiction klingt, hat an Mäusen tatsächlich funktioniert. Entdeckt hat das Verfahren 2006 der japanische Biologe und Stammzellenforscher Shinya Yamanaka. Er bekam dafür den Nobelpreis.
Zehn Jahre später wendete Juan Carlos Izpisúa Belmonte die Technik bei alternden Mäusen an. Diese lebten länger als unbehandelte Mäuse. Ein Team um David Sinclair «reprogrammierte» vor ein paar Jahren bei fast blinden Mäusen Netzhautzellen und konnte deren Sehvermögen deutlich verbessern.
Und vor wenigen Tagen gelang es Forschern, einen ähnlichen Versuch an Primaten zu wiederholen. Diese Studie wurde allerdings noch nicht durch die wissenschaftliche Gemeinschaft begutachtet.
Solche Durchbrüche lassen Unternehmer Milliarden in Biotech-Firmen investieren. So soll Amazon-Gründer Jeff Bezos grosse Summen in das Biotech-Start-up Altos Labs gesteckt haben, dem auch Juan Carlos Izpisúa Belmonte angehört. David Sinclair hat eine eigene Firma gegründet.
Funktioniert das auch am Menschen?
Corina Madreiter-Sokolowski, Zellbiologin an der Medizinischen Universität Graz, hält diese Forschungsergebnisse für vielversprechend. Sie geht davon aus, dass die Forschung die maximale Lebensspanne auf 120 Jahre verlängern können wird: «Für gewisse Organe, die anfällig sind für alterungsbedingte Erkrankungen, ist dieser Ansatz interessant.» Die Versprechen von Sinclair und Belmonte hält sie aber noch für übertrieben. Die Risiken seien bei diesen experimentellen Ansätzen sehr hoch.
Das Altern als solches abzuschaffen, wird wahrscheinlich nicht möglich sein.
Konrad Hochedlinger leitet am Center for Regenerative Medicine im Massachusetts General Hospital in Boston ein Labor. Auch er ist skeptisch, ob es je möglich sein wird, solche Methoden ganzheitlich bei Menschen anzuwenden. «Die grösste Gefahr besteht wahrscheinlich darin, dass die derzeit benutzten Reprogrammierungs-Faktoren Krebs auslösen können, wenn sie zu hoch oder zu lange oder im falschen Gewebe angeschaltet werden.»
Länger gesünder leben
Dennoch kann die Forschung von diesen experimentellen Ansätzen viel über den Alterungsprozess lernen. Dies betont auch der ETH-Professor und Epigenetiker Ferdinand von Meyenn.
Es sei deshalb zu begrüssen, dass so viel Geld in diesen Bereich investiert wird. «Ich denke, Altern als solches abzuschaffen, wird wahrscheinlich nicht möglich sein. Wir können das Altern aber vermutlich in absehbarer Zukunft verlangsamen und neue Therapieformen finden für ein längeres und vor allem gesünderes Leben.»