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Roman «Walzer für Niemand» Sophie Hunger klingt auch als Schriftstellerin einzigartig

Sophie Hunger hat einen Song zum Roman ausgebaut: «Walzer für Niemand» erzählt von Freundschaft und der Liebe zur Musik.

«Niemand» ist ihr bester Freund. Die Ich-Erzählerin von Sophie Hungers Roman und die Titelfigur «Niemand» sind Kinder von Militärattachés und ziehen deswegen viel um – quer durch Europa. Weil sie bei Gleichaltrigen kaum Anschluss finden, ziehen sie sich immer weiter zurück: einerseits in ihre Freundschaft und andererseits in die Musik.

Sie durchforsten die Plattensammlung der Eltern und merken bald: Im gemeinsamen Musikhören finden sie einen direkteren Zugang zur Welt als in den ewigen Gesprächen über die politische Weltlage abends am Esstisch.

Ich bin überzeugt, dass nur das Erfundene sich der Wahrheit nähern kann.
Autor: Sophie Hunger Romanautorin und Musikerin

Die Musik rührt an etwas tief im Inneren von Sophie Hungers Figuren. Das bleibt auch später im Buch so, als die Ich-Erzählerin erste Erfolge als Musikerin feiert, während «Niemand» sich immer obsessiver in ein obskures Rechercheprojekt zu den sagenumwobenen Walserinnen vertieft.

Kommunizieren durch Musik

Die Freundschaft der beiden steuert da schon unausweichlich auf eine Katastrophe zu. Sie entfernen sich immer weiter voneinander, doch in dieser Situation helfen ihnen Songs, ihre Verbindung aufrecht zu erhalten: Statt miteinander zu sprechen, spielen sie im Auto abwechselnd Lieder mit aussagekräftigen Texten ab.

Viele dieser Songs im Autoradio stammen von Sophie Hunger selbst, und die Bezüge zur Realität ausserhalb des Romans hören damit noch nicht auf. Der Titel des Romans «Walzer für Niemand» war schon vor vielen Jahren der Titel von einem von Hungers bekanntesten Liedern.

Auch darin wird «Niemand» wie eine reale Person angesprochen: «Niemand, ich habe Geschenke für Dich / Was wäre ich geworden, gäbe es Dich nicht? / Meine gesammelten Werke, bitte sehr / Alles gehört Dir».

Sophie Hunger bleibt sich treu

Sie halte dieses «Niemand»-Motiv für eine Art künstlerischen Urstoff von ihr, sagt Sophie Hunger: «Ich wollte sehen, was herauskommt, wenn man die Geschichte aus diesem Lied wie eine Handorgel weit aufzieht. Daraus ist dieser Roman geworden.»

Auch die Ich-Erzählerin hat diverse Ähnlichkeiten mit ihr selbst: Sie ist Diplomatentochter, erfolgreiche Musikerin, aufgewachsen in England, Deutschland, Bern und Zürich. Als autobiographisch versteht Sophie Hunger ihren Roman trotzdem nicht: «Es gibt nichts im Buch, das sich im echten Leben so zugetragen hätte. Alles ist erfunden. Aber ich bin überzeugt, dass sowieso nur das Erfundene sich überhaupt der Wahrheit nähern kann.»

Ich habe mich gefühlt, als würden Würmer aus meinem Kopf quellen.
Autor: Sophie Hunger Romanautorin und Musikerin

Hunger nimmt sich in ihrem literarischen Erstling Themen von grosser Tragweite vor: Freundschaft, Aufwachsen, Verlust, das Verhältnis zum Alleinsein – und vor allem die Kraft der Musik.

Die Arbeit an diesem Roman sei ihr deutlich schwerer gefallen als die Arbeit an Songtexten, sagt sie: «Beim Schreiben habe ich mich manchmal gefühlt, als ob ich keine Hände und Füsse mehr hätte, sondern nur noch einen riesigen Kopf, der vor mir auf dem Tisch liegt, voller Würmer, die herausquellen.»

Das Resultat dieser Arbeit ist unverkennbar Sophie Hungers Werk geblieben. Aus diesem Buch sprechen eine riesige Liebe zur Musik, ein reflektierter Blick aufs Leben und ein feines Gespür fürs Poetische und für starke Bilder.

Buchhinweis

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Sophie Hunger: «Walzer für Niemand». Kiepenheuer & Witsch, 2025.

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