Leitern scheinen es Ursus Wehrli im aktuellen Buch ganz besonders angetan zu haben. Gleich fünf Leitermodelle bietet er in seinem «Katalog von Sachen, die niemand braucht, und trotzdem keiner haben will» an, wie «Unnütze Dinge» im Untertitel heisst.
«Die kurze Leiter» zum Beispiel, die nur eine einzige Stufe hat und dazu dient, auch mal wo raufzusteigen, wo es gar nicht hoch ist. Oder «Die Kurvenleiter», die es sowohl als Links- wie auch als Rechtskurve gibt.
«Die Anti-Tauben-Leiter» mit spitzigen Stacheln auf den Holmen, und schliesslich «Die blöde Leiter», die nur aus zwei Längsstangen besteht und ganz ohne Holme auskommt, und – als Weiterentwicklung – «Die blöde Leiter pro» mit nur einer Längsstange.
Dingen keinen Sinn geben
Wehrlis Blick auf die Dinge ist speziell, seine Methode bestechend: Er schraubt so lange an nützlichen und alltäglichen Dingen herum, bis sie nutzlos und spektakulär werden.
So entsteht seine Komik: «Ich es mag, Dinge von einer anderen Seite zu betrachten, ihnen einen neuen Sinn oder auch mal keinen Sinn zu geben.» Wehrli wechselt die Perspektive und stellt Dinge infrage, die man für selbstverständlich hält.
Das war immer schon so. Schon seit Wehrlis allererstem Buch «Kunst aufräumen. Denn: «Wenn es etwas gibt, was überhaupt keinen Sinn ergibt, ist es das Aufräumen von moderner Kunst.» Aber es sei eine Spielwiese, die Neues bringe, Schönes, Inspirierendes und Spass mache.
Anarchistischer Ansatz
Tatsächlich leben alle Bücher Wehrlis von diesem anarchistischen Ansatz, der letztlich dazu da ist, eine sich selbst überschätzende Welt zu karikieren, die Unsinniges als sinnvoll verkauft. Dabei ziehen sich die Ideen von einem Buch ins nächste weiter.
In Wehrlis Nonsens-Tagebuch «Heute hätte ich beinahe etwas erlebt» gibt es zum Beispiel den Eintrag: «Heute habe ich wieder mal was erfunden. Es läuft ohne Strom, erleichtert einem einiges und ist stufenlos verstellbar. Leider funktioniert es nicht.» Die Keimzelle des neuen Buches, wie Wehrli zur Entstehungsweise von «Unnütze Dinge» sagt.
Mehr als Unsinn
Aber Wehrlis Kunst auf Nonsens zu reduzieren, greift zu kurz. Denn sie funktioniert auch darum, weil sie mitunter Dinge anspricht, die einem menschlichen Bedürfnis tatsächlich entsprechen.
«Der Sitzklaus» zum Beispiel hätte sich in Zeiten von Corona sicher gut verkauft: Ein hagerer Mann auf einem Schemel, den man sich in die Stube stellen kann und der «Woher soll ich das wissen?», «Aha, aha» und «das ist allerdings erstaunlich» sagen kann.
Oder «Die Aussicht zum Mitnehmen», ein Fenster, in dem man auch unterwegs die von zu Hause gewohnte Aussicht sehen kann. Ursus Wehrli könne sich dafür erwärmen, wie er sagt.
In der stillen Kunst zu Hause
Ursus Wehrli mag diesen Teil seiner Arbeit. Manchmal sogar mehr als die Arbeit auf der Bühne. «Ich wollte nie auf die Bühne. Ich hätte mir auch nie träumen lassen, meinen Lebensunterhalt mit Bühnenkunst zu bestreiten.» Es habe sich so ergeben. «Aber insgeheim wusste ich immer schon, dass mir die stille Kunst, die bildende Kunst näher ist.»
So wird es auch in Zukunft Bücher von ihm geben. Ideen dazu seien immer da. Die fliegen einem zu. «Allerdings muss man sich die Zeit nehmen für sie. Sonst fliegen sie woanders hin.» Diese Zeit zu haben, das ist das grosse Privileg des Künstlers Ursus Wehrli. Und unser Vergnügen.